The Die Ellen-White-Untersuchung

Wie das Leben so spielt

Kapitel 12

Wie man Geschichte verändert

Walter T. Rea


Die Erfahrung lehrt, daß der Begriff „Wahrheit“ in jeder oder jeder zweiten Generation eine Neudefinierung benötigt. Dies soll nicht heißen, die Wahrheit würde sich ändern, sondern daß sich unser Wahrnehmungsvermögen ändert, wenn unser Verstand aktiviert wird und zunimmt. Historiker wissen das. Politiker verstehen es. Wirtschaftswissenschaftler arbeiten nach dieser Annahme, und auch viele Durchschnittsmenschen lernen das.

Nur Administratoren in theologischen Systemen finden es schwierig, dieses Prinzip akzeptieren zu können. Je konservativer die religiöse Gruppe und die Menschen sind, die das Glaubensbekenntnis angenommen haben, desto schwieriger ist es, eine notwendige gedankliche Richtigstellung vorzunehmen. Im Extremzustand, wenn die theologische Administration und die Gläubigen die Wahnvorstellung haben, daß ihre Wahrheit, ihr Gott, ihr Prophet oder ihr Heiliger alle gleichwertig oder sogar ein und dasselbe seien, dann grenzt es an die Unmöglichkeit, irgendeine Änderung in Richtung einer Aufklärung zu bewirken.

Wieder sind die vier wichtigsten Techniken, die ein Topverkäufer mit der Marke „white lie“ verfolgt, folgende:

  1. alles Ungewöhnliche und Mysteriöse dessen hochzuspielen, der verehrt werden soll;
  2. Geschehnisse und Äußerungen auf ein tugendhaftes, übernatürliches Niveau zu erheben und so die Idee der übernatürlichen Verbindung zu verstärken;
  3. den Zugang zu Informationen und Aufzeichnungen von Ereignissen und Tatsachen aus der Vergangenheit zu verweigern; und
  4. Zeit zu gewinnen, um so weit wie möglich vom Beginn der Legende wegzukommen.

Alle vier Methoden wurden und werden noch immer von der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten benutzt, in der Sache Ellen White und dem, was unter ihrem Namen publiziert wurde.

Erstens. Unglaublich, wie es für einen unparteiischen Zuschauer scheinen mag, weil uns das White Estate glauben machte, daß alles, was Ellen irgend jemandem über irgendetwas geschrieben hat, alles, was sie von irgendjemandem über irgendetwas beaufsichtigte, alles, was sie von irgendjemandem über irgendetwas abschrieb, alles, was unter ihrem Namen zum Verkauf angeboten wurde — sogar Gedanken, Worte oder Gefühle, die von ihren Anhängern gewünscht oder niedergeschrieben waren — den Stempel der göttlichen Zustimmung tragen muß und auch trägt. Kein im heiligen Altertum Berufener beanspruchte jemals so viel, und kein biblischer Schreiber mußte in seinem Leben eine solche Hervorhebung erreichen.

Zweitens. Es wird uns berichtet, daß wilde Pferde auf ihren Befehl hin stillstanden. Sie trug stundenlang eine schwere Bibel mit ausgestreckten Armen. Durch ihre Anweisung sprudelte Wasser in Brunnen, die sonst trocken gewesen wären. In ihren Träumen erschienen Gebäude, die niemals bestanden und niemals gebaut werden würden. Briefe trafen bei irgendeinem besonderen Ereignis rechtzeitig ein, trotz der bekannten Probleme des damaligen Postsystems. Oftmals standen Gläubige, für die sie gebetet hatte, von ihrem Krankenlager auf — obgleich sie selber nie gesund wurde und sich wegen ihrer Krankheit und Ohnmachtsanfälle beklagte, bis ins mittlere Alter hinein. Es wird auch keine große Erwähnung über den Tod von zwei Kindern gemacht, die noch sehr jung starben. Trotz ihrer Gebete und ihrer Sorge lebte ihr Ehemann nur etwas über sechzig Jahre. Nichtsdestoweniger haben Ellen Whites Träume und Äußerungen Studenten des umfassenden adventistischen Beziehungssystems als Besonderheiten beeindruckt — obwohl sie von diesen Menschen freimütig abschrieb.

Drittens. Wenige, wenn überhaupt einige, die mit dem White Estate zu tun hatten — dem offiziellen Hüter der Schlüssel zu allem, was Ellen gehörte oder über sie bekannt ist — sind bisher in der Lage gewesen zu bescheinigen, daß ihnen der Zugang zu allem Material zu allen Zeiten ohne Anleitung und/oder Aufsicht und Eidabnahme möglich war. Gelenkte Informationen sind ein selbstverständlicher Teil aller Gemeinschaftseinrichtungen. Adventisten sind bestrebt, Dinge an das Gemeindevolk und die weltliche Öffentlichkeit weiterzugeben, die die Gemeinschaft in das beste Licht rücken. Wie es ein Redakteur der Los Angeles Times einmal ausgedrückt hat, kämen „Adventisten in einem Staatssystem besser zurecht, in dem es keine Pressefreiheit gibt.“1 Aber jene, die doch Erfolg haben und einen eingeschränkten Zugang zu Material bekommen, müssen eine Verpflichtung unterzeichnen — als Gegenleistung für das Privileg, das einzusehen, worin keiner eingeweiht ist — daß sie „brisantes“ Material nicht kopieren oder anderen überlassen werden.

Vielleicht ist dies alles verständlich. Das White Estate kann nicht das ganze Material freigeben, das Ellen Whites Leben und Schreiben betrifft, und gleichzeitig die „white lie“ aufrechterhalten. Es gibt keine Möglichkeit, daß die Tatsachen mit dem Mythos übereinstimmen könnten. Wenn, wie auf dem Glendale-Treffen im Januar 1980 festgestellt wurde, jeder Absatz im Großen Kampf mit Fußnoten versehen werden müßte, um die Quelle aufzuzeigen, dann müßte wohl jeder Absatz beschriftet werden — was würde dann mit der Legende von Ellen und mit den meisten Gemeindemitgliedern geschehen, die an diese Legende während all der Jahre glaubten?

Was wäre, wenn jedes der anderen vier Bücher — Patriarchen und Propheten, Propheten und Könige, Das Wirken der Apostel und Das Leben Jesu (alle von den großen fünf) — auch in diese Anklage eingeschlossen werden müßten? Es ist ziemlich sicher, daß nicht voreingenommene, detaillierte oder umfassende Studien über diese Bücher durch das White Estate gutgeheißen werden können, ganz gleich durch wen oder wann die Studien angefertigt werden. Welche Ergebnisse auch immer durch irgendeinen unabhängigen Forscher gemeldet werden, die Stellung des Estate scheint auch weiterhin sehr sicher zu sein: (a) da es alles die ganze Zeit lang schon wußte und (b) es gleichgültig ist, da Gott seine Hand ohnehin darübergehalten hatte und Ellen durch seine direkte Anweisung inspiriert war, das alles zu tun, was sie tat.

Viertens. Zeitgewinn ist wahrscheinlich einer der besten Helfer der „white lie“. Wenn nur die Laienglieder Geduld üben und damit dem Topverkäufer die Möglichkeit des Zeitgewinns geben, kann die „white lie“ mit der Zeit Realität werden, und das wird sie auch oftmals. Schließlich werden Mythen und Legenden nicht in einem Augenblick geschaffen. Die Zeit verhüllt die Tatsachen. Weil die Tatsachen über Ellen und ihre Werke der Gemeinde und der Welt nie richtig dargestellt wurden, hat die Zeit geholfen, diese Täuschung zu verdecken. Jene, die zu verschiedenen Zeiten helfen wollten, die Wahrheit in ihrer Gemeinde wieder in den Vordergrund zu stellen, sind vom „Clan“ vertrieben worden oder haben den Staub von ihren Füßen abgeschüttelt und sind ausgeschieden. So ist die „white lie“ gewachsen, bis sie zur Wirklichkeit im Glauben wurde; von Tatsachen war schon lange nichts mehr zu sehen. Der Rat eines Zuschauers zu diesem Punkt ist:

Laß es so. Lege keine Berufung ein gegen deine Entlassung als Prediger der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten. Setze deine Forschung unbedingt fort, aber tue sie in der Weise eines Akademikers. Benutze nicht die Gemeinschaft als dein Instrument der Zerstörung, da die Mehrzahl der Glieder für die Fortführung ihres Glaubens auf sie angewiesen sind.

Das Wörterbuch definiert Glauben als „Vertrauen ohne Beweise“, und die meisten Gemeindeglieder sind bereit, das so zu akzeptieren. Wie schade, daß die meisten religiösen Einrichtungen diese Definition nicht akzeptieren können und meinen, sie müßten auf ihrem Dogma bestehen, da es das wahre Dogma ist und auf wahren Tatsachen basiert.

Die angeborene Fähigkeit, Glauben und wahre Erkenntnis so zu trennen, daß sie nicht miteinander in Konflikt kommen, ist ein Geschick, das einige Leute haben und andere nicht. Es hat wenig mit Intelligenz zu tun, und es gibt Atheisten mit niedrigen IQ, und einige unserer besten „Köpfe“ sind überzeugte Katholiken.

Religiöses Vertrauen ist gewöhnlich harmlos für die Gesellschaft als Ganzes gesehen, wenn es auf den religiösen Rahmen begrenzt bleibt. Dabei kann es für viele auf einem persönlichen Niveau nutzbringend sein. Aber die Fähigkeit, den Verstand in Abteile aufzuteilen, ist immer eine Gefahr, und sie beschränkt sich nicht nur auf religiöse Bereiche.2

Jene, die das Unglaubliche glauben müssen, die beanspruchen, das Unsichtbare sehen zu müssen, und die ihr Leben verbringen, indem sie sich an das Unerreichbare klammern, versuchen, ihre „Vision“ vom Irrrealen anderen durch die Anwendung von Autorität und Gewalt aufzudrängen. Einer dieser Kirchenmänner drückt es sehr gut aus:

Kürzlich habe ich viele Gerüchte gehört, wie auch deine Mitbrüder. Wenn ich mich recht erinnere, glaube ich nicht, daß du irgendeine meiner Mittagsandachten seit September besucht hast, in denen ich zu allen kontroversen Punkten der Gemeinschaft, die auf der Oberfläche auftauchen, Stellung abgab. Das gefährlichste Ergebnis der vielen voneinander abweichenden Diskussionen in der Gemeinde ist das, was ich „die billige Botschaft“ nenne. Wir müssen dem vollendeten Werke Christi vertrauen; aber ebenso müssen wir mit der Hilfe Christi bereit sein, zu gehorchen. Das bedeutet, wir müssen bereit sein, uns selbst aufzugeben und uns der Autorität des Leibes Christi zu unterwerfen — der Gemeinschaft. Ich weiß, daß dies schwierig ist, vor allem, wenn es euch so geht mit euren Gewohnheiten und euren Kapitalanlagen.3

Verständlicherweise möchte dieser Topverkäufer des Systems gerne Anteil haben am Erfolg und den Kapitalanlagen der Glieder, und er würde zu gern die offensichtliche Geistesfreiheit des betreffenden Gliedes einschränken — kurz gesagt, ihn beherrschen.

Solch eine Haltung ist nicht auf jene beschränkt, die an das System einer Werksgerechtigkeit glauben. Das Produkt eines solchen Systems sind religiöse Topverkäufer, die glauben, daß ihr Gewissen die Richtschnur für alle Glieder sein soll, und sie trachten nach einer gottlosen Herrschaft — und das im Namen Gottes. Wenn völlig verstanden wird, daß das, was die Topverkäufer der Psyche verkaufen, in Wirklichkeit ihr eigenes Wertsystem ist oder ihre eigene Ansicht darüber, was andere tun dürfen oder nicht, dann, und nur dann, werden einige der „white lies“ schwerer zu verkaufen sein.

In der Zwischenzeit, bis diese Topverkäufer demaskiert werden, gibt uns Robert J. Ringer vielleicht den besten Rat, wie man mit diesen und ihrer „Wahrheit“ umgehen soll:

Ignoriere alle neurotischen Bemerkungen und Taten normaler und neurotischer Menschen. In Fällen, in denen ein Neurotiker hartnäckig bleibt, ungeachtet deines Desinteresses, wach dich schnell auf und bemühe dich, ihn aus deinem Leben zu streichen. Du hast keine Verpflichtung, dich mit irrationalen Menschen zu befassen. Es hat keinen Sinn, sich mit unvernünftigen Menschen zu unterhalten, zu argumentieren und/oder sich mit ihnen herumzuschlagen. Ein Versuch, sie durch logische Argumente zu überzeugen, wird dich nur verschleißen. Beziehungen zu unvernünftigen Personen zu haben, ist eine Situation, in der man nicht gewinnen kann. Wenn er ein Kenner von Gedankenspielen ist, wirst du dich sehr oft in einer Lage finden, bei der du „verdammt wirst, wenn du etwas tust, und verdammt wirst, wenn du etwas nicht tust“. Geh nutzlosen Situationen aus dem Weg. Wenn dich irgendjemand mit vernunftwidrigen Gedanken von allen Seiten umschließt, stell dich nicht auf dessen Seite. Steige aus, indem du dich durch den offenen Weg nach oben hin entweichst, wenn es notwendig ist, aber steig aus. Wenn jede Seite, zu der du dich hinwendest, dir Schwierigkeiten bereitet, dann bist du in einer Situation, die dir keinen Gewinn bringt.4

Bei Ellens Fähigkeit als Topverkäufer (in Beziehung zu beiden, Gemeinde und Öffentlichkeit) ist sichtbar geworden, daß sie auch unterstützte, wenn nicht sogar forderte, daß andere ihre Wertnormen und ihren Lebensstil akzeptieren sollten. Um dieses Ziel zu erreichen, glaubte sie und lehrte andere, daß es notwendig sei, das zu tun, was sie schrieb und sagte, weil Gott es so wollte. Diejenigen, die ihre Vorstellungen teilten (und ihr sogar einige davon gaben), waren gewillt, den Gläubigen glaubhaft zu machen, daß das, was sie sagte und schrieb, die direkten Gedanken und Wege Gottes waren, die ihr gegeben wurden. Diese Stellung gab ihren Äußerungen jene Autorität, die notwendig war, damit sie geglaubt wurden — und das trotz der zunehmenden gegensätzlichen Tatsachen und Zeugnisse von einigen anderen. Jene, die für den Glauben lebten und ebenso durch Beweise ihren Glauben unterstützten, begannen zu entdecken, daß die „white lie“ unvereinbar war mit den Tatsachen. Wenn sie diese Entdeckung bekanntmachten, wurden sie wegen ihrer ernsthaften Bemühungen ausgeschlossen und durch Rufmord verfolgt.

Für solche, die den Mut haben, die Tatsachen und den Glauben Seite an Seite zu stellen und zu vergleichen, ob sie harmonieren, können die folgenden Punkte eine Übung zur sinnvollen Untersuchung einiger „white lies“ sein, die benutzt wurden, um die Legende von Ellen und ihren Schreibarbeiten als größtenteils von Gott gegeben, göttlich geleitet und inspiriert aufrechtzuerhalten in Mißkredit gebracht.

  1. Die weltlichen Medien, die von den adventistischen Antworten auf kritische Fragen berichten, zitieren Informationen, nach denen 3,5 Millionen Glieder akzeptiert hätten, die 25 Millionen Wörter aus Ellens Feder seien inspiriert.5 Manch ein Geistlicher würde es verweigern, einen Eid darauf abzulegen, daß seine Gemeindeliste genau sei. Die Aussage, Ellen hätte 25 Millionen Worte geschrieben, ist unrichtig. Wie wurde diese Zahl festgestellt? Ist sie die Erfindung von irgend jemandem? Schließen sie all das kopierte Material (nicht ihre Worte) und all die Absätze und ungezählten Seiten ein, die identisch verdoppelt wurden in den Zusammenstellungen über verschiedene Themen?
  2. Jeder Adventist hat gelesen oder gehört, daß Ellen wenig gelesen hat, teilweise deswegen, weil sie nur die ersten drei Schulklassen besuchte. Dies machte einen Anspruch auf göttliche Führung bei einer Person möglich, die literarisch unwissend war.6 Später wurden diese Einschränkungen benutzt, um Unwahrheiten zu schaffen. Bildung muß keine bestimmte Schulzeit umfassen, um Personen Kreativität und Allgemeinbildung zu vermitteln.
  3. Später, unter Druck, wurde entdeckt, daß Ellen lesen konnte, aber sie las sehr wenig und am wenigsten theologische Bücher.7 Dasselbe Argument wurde benutzt, um zu beweisen, sie wäre nicht durch andere beeinflußt worden, als sie lebte und schrieb.8
  4. Die Weiterführung dieses Themas bestand darin, daß Ellen lesen konnte, aber keine theologischen Bücher las — bis entdeckt wurde, daß sie es doch tat.9 Leser des Spectrum wissen jetzt, daß sie die ganze Zeit viel las und veröffentlichte Werke religiöser und nichtreligiöser Schriftsteller benutzte.10
  5. Obgleich einmal behauptet wurde, Gott hätte Ellen geholfen, ihre Geschicklichkeit zu verbessern (und ihre wunderbare Sprache sei das Ergebnis dieser göttlichen Hilfe gewesen), zeigen neue Tatsachen, daß diese Verbesserung das Ergebnis besserer Hilfe von gut informierten Mitarbeitern und Fremden und einer besseren Auswahl der Autoren war.11
  6. Jetzt, da der Nachweis erbracht ist, daß Ellen lesen konnte, vieles las und sie außerdem einen Teil ihres Materials vor sich hatte, als sie schrieb, gibt es eine neue Richtung, die behauptet, sie hätte ein fotografisches Gedächtnis gehabt.12 „Wir bestreiten Pastor Reas Beweise nicht“, sagte Robert Olson, Sekretär des Ellen G. White Estate in Washington, D.C. „Ich bin sehr froh, daß sie einige Bücher vor sich hatte, als sie schrieb. Jedoch“, fügte Olson hinzu, „glaubt die Gemeinschaft, Schwester White habe ein fotografisches Gedächtnis besessen und deswegen die Worte anderer Autoren unbewußt benutzt.“13 Olson gibt nicht an, wer hier die „Gemeinschaft“ ist, die das glauben soll, was er glaubt.
  7. Die Idee, daß Ellen nicht wußte, was sie tat, als sie die Autoren, die sie gelesen hatte, nicht erwähnte — aber damit aufhörte, als man ihr sagte, was sie tat — ist schon in früheren Kapiteln behandelt worden. Eine stichprobenartige Prüfung der Autoren, die sie benutzte, würde zeigen, daß diese ihre Quellen angaben, aber daß sie sie niemals zitierte, sogar wenn sie teilweise zusammenfaßte, was bereits von anderen zitiert worden war.
  8. Vielleicht ist eine der Anschuldigungen, der man am schwersten entgegentreten und die man sehr schlecht widerlegen kann, jene, daß Ellen niederschrieb, was sie erst in Visionen sah, aber Worte, Ideen und Zusammenstellungen anderer benutzte, nur weil jene das schrieben, was Ellen sagen wollte, und sie dazu nicht fähig war. Dieses Argument, das gleichzeitig eingesteht, daß sie kopierte — und zwar wann immer und immer dann, wenn es ihren Wünschen entsprach — widerspricht tatsächlich den Tatsachen. Tatsächlich bereitet diese Aussage Schwierigkeiten, wenn man auf das Buch Life Incidents stößt.

Einer der ungeschriebenen Berichte in der Adventgeschichte ist der Einfluß, den James White auf die Gestaltung der Ideen und Sätze hatte, die unter Ellens Namen und aus ihrer Feder herauskamen. Obwohl ihm als Schriftsteller oder Theologe keine Beachtung geschenkt wurde, produzierte James doch vier veröffentlichte Bücher. Zwei davon waren Life Incidents in Connection with the Great Advent Movement, as Illustrated by the Three Angels of Revelation XIV, 1868 publiziert, und 1875 Sketches of the Christian Life and Public Labors of William Miller: Gathered from his Memoirs by the Late Sylvester Bliss, and from Other Sources. Beide Bücher waren fast völlig von anderen Werken abgeschrieben. Das eine über William Miller war vom Werk des Sylvester Bliss übernommen, der 1853 Memoirs of William Miller geschrieben hatte. Die Theologie von Life Incidents war im wesentlichen von Uriah Smith und J. N. Andrews übernommen worden.14 Keines dieser Bücher ist jemals wieder unter dem Namen von James White gedruckt worden, soweit heute bekannt ist.

Aber sie wurden tatsächlich unter einem anderen Namen wieder aufgelegt, unter dem von Ellen G. White, seiner Ehefrau, und zwar einige Jahre nach seinem Tod im Jahre 1881 — aber unter dem Titel Der Große Kampf (1884). Und dieses Erzeugnis wurde an die Gläubigen und die Welt als das Werk Ellens und der Engel verkauft. Obwohl es mit anderem Material zusammengeflickt und auf übliche Weise aufgefüllt wurde, war das Material früher veröffentlicht worden unter dem Namen von James. Den Käufern wurde nicht gesagt, daß der Kern dieser neuen Offenbarung bereits sechzehn Jahre vorher gedruckt worden war und daß das Thema und die Hauptaussage literarisch und in großzügiger Weise in Ellens neues Buch Der Große Kampf übergingen.

Es wird nun verständlich, warum viele Informationen aus der Ausgabe des Großen Kampfes von 1884 nicht in frühere Werke von Ellen über denselben Gegenstand eingeschlossen werden konnten (Spiritual Gifts, publiziert 1858–64). James hatte noch nicht die Gelegenheit gehabt, sie von J. N. Andrews zu übernehmen, und so war das Material zu jener Zeit für Ellen noch nicht verfügbar. Die Ausgaben von 1888 und 1911 des Großen Kampfes konnten auf James Whites Zusammenstellungen von Doktrinen und Geschehnissen zurückgreifen und sogar mehr von seinen Funden und Ideen übernehmen. Aber nicht ein Mal wurde daran erinnert, daß der Kern der adventistischen Lehre — wie die weltweite Botschaft der drei Engel, die die Gemeinschaft ausschließlich auf Adventisten anwandte, die Lehre der geschlossenen Tür (die jeden anderen draußen vor der Tür stehen ließ), die 2300 Tage, die siebzig Wochen, die Heiligtumslehre, die USA in der Prophetie, das Malzeichen des Tieres, das Bild dieses Tieres — schon früher bekannt wurde durch James Whites Life Incidents.

Das Kopieren wurde so auffallend unter Ellens Namen getätigt — und die Information ist so, daß der Kern der adventistischen Theologie und Eschatologie nicht von den Visionen oder Offenbarungen an Ellen herrührte, sondern aus der Feder von James entsprang, und das sechzehn Jahre bevor Ellen sie niederschrieb — daß man einige Zeit darauf verwenden sollte, die Beweise in Life Incidents zu untersuchen.

Hier sollte wiederholt werden, daß die vier kleinen Bände von Ellens Spiritual Gifts (1858–64) auf die vier Bände von Ellens The Spirit of Prophecy (1870–84) erweitert wurden und sich dann in Ellens Der Große Kampf (1888, Hrsg.) aus der fünfbändigen Entscheidungsserie wiederfanden. Da die früheren acht Bände jetzt wieder in Faksimileausgaben erhältlich sind, ist es jetzt jedem möglich, die Bücher zu untersuchen und die durch all die Jahre fortschreitende Kopierarbeit festzustellen. In der Zwischenzeit, während all dieser Jahre, wuchs die Legende weiter und wurde als solche „verkauft“, und auch akzeptiert, daß Gott Ellen aus erster Hand exklusive Kenntnisse seiner Pläne für die zukünftigen Ereignisse in der Gemeinschaft und in der Welt gegeben hatte.

Ein Vergleich zeigt, daß Worte, Sätze, Zitate, Ideen, Strukturen, Absätze und sogar ganze Seiten aus James Whites Buch in Ellens Buch unter einem neuen Titel übernommen wurden — ohne schamhaftes Erröten, ohne Erwähnung ihres Ehemannes, ohne Dank an Uriah Smith und J. N. Andrews, ohne Erwähnung der harten Arbeit und theologischen Einblicke von irgend jemandem.

Unglücklicherweise hatte James nicht den persönlichen Vorteil von Engeln, die planmäßig kamen und gingen, um die Informationen aus erster Hand zu kontrollieren, die Ellen zu haben vorgab. Ohne himmlische Vermittlung mußte er sein Material aus menschlichen Quellen beziehen. Aber er wurde seiner Aufgabe gerecht. Einen Großteil seines Materials in Life Incidents hatte er hauptsächlich von J. N. Andrews übernommen, dessen Buch 1860 publiziert wurde und interessanterweise folgenden Titel hatte: The Messages of Revelation XIV, 6–12, and Particularly The Third Angel’s Message and The Two-Horned Beast. Im Gegensatz zu seiner Ehefrau Ellen hat sich James nicht bemüht, sein Quellenmaterial umzuschreiben — er übernahm einfach das gesamte Material von Andrews in sein Werk.

Nichts ist bisher vom White Estate freigegeben worden, um zu zeigen, wie sich Andrews oder Uriah Smith über dieses „Nehmen“ äußerten, das ja im Namen Gottes geschah. Vielleicht hat die Tatsache, daß sie verschwägert waren, beide in der Redaktionsarbeit des Review halfen, beide persönliche Freunde der Whites waren — und deshalb am gleichen Tisch sitzen konnten, um ihre Ansichten zu verwirklichen — den Schmerz gelindert, den Ellens Kopierarbeit ihnen bereitete. Man könnte versucht sein zu denken, daß Ellen den Weg bereitet hat und James keinen Gedanken daran verschwendete, das Gleiche zu tun wie sie. Natürlich nützt niemandem die Ausrede, darüber keinen Gedanken verloren zu haben, besonders unter Berücksichtigung einer Aussage, die 1864 in einer Ausgabe des Review unter dem Titel „Plagiat“ veröffentlicht wurde:

„Plagiat ist ein Wort, das gebraucht wird, um ‚literarischen Diebstahl‘ zu bezeichnen oder die Verwendung des Erzeugnisses anderer unter seinem eigenen Namen. Wir sind völlig damit einverstanden, daß Teile des Review oder irgendeines unserer Bücher in jedem Ausmaß publiziert werden können. Und wir bitten nur darum, daß uns Gerechtigkeit widerfährt, indem alle Quellen angegeben werden.“15

Untersuchungen zeigen, daß das 1860 herausgegebene Buch von J. N. Andrews eine genaue Wiederholung seiner Artikel im Review von 1851–55 war. Nach 1855 standen also James und Ellen Inhalt und Form des Werkes von Andrews zum Durchlesen und für ihren Gebrauch zur Verfügung, und sie verleibten beides auch in ihre Werke ein, wie in Spiritual Gifts (1858–64), Life Incidents (1868), The Spirit of Prophecy (1870–84), Sketches of William Miller (1875) und The Great Controversy (1888).

Diese Information kann nun jene stören oder auch nicht, die jetzt meinen, die Gruppe der Pioniere hätte sich zusammengesetzt und gemeinsam mit Ellen ihre Vorstellungen und ihre Theologie ausgearbeitet. Aber es scheint in der Tat jene zu stören, die gelehrt wurden, daß solche Vorstellungen und diese Theologie einer höheren Autorität und einem größeren Mysterium entsprängen, als normale Vorstellungen über menschliches Bemühen es zu gebieten scheinen.

Anmerkungen

  1. John Dart, aufgezeichnetes Gespräch mit Irene Cole. Dart, der Redakteur für Religion der Los Angeles Times, schrieb den Artikel „Plagiarism Found in Prophet Books“, 23. Oktober 1980, S. 1.
  2. Richard P. Hines, „Knowledge and Faith Can't Be Mixed“, Leserbrief (Long Beach, CA: Press-Telegram), 11. November 1980.
  3. STA-[Florida]-Prediger an John LeBaron, Dezember 1980.
  4. Robert J. Ringer, Looking Out for #1 (New York: Fawcett Crest Book Co.), S. 111–112.
  5. Hines, in der Long Beach Press-Telegram, 25. November 1980; Dart in der Los Angeles Times, 23. Oktober 1980.
  6. Ellen G. White, Life Sketches (Mountain View: PPPA, 1915), S. 18–19.
  7. Arthur L. White in der Ergänzung zur Faksimileausgabe von The Spirit of Prophecy, Bd. 4, S. 535–536.
  8. Das Ellen G. White Estate gesteht nicht zu, daß Ellen White durch das, was sie las, oder durch Menschen in ihrer Umgebung beeinflußt wurde.
  9. [Healdsburg] Pastor’s Union: „Is Mrs. E. G. White a Plagiarist?“ [Healdsburg, CA] Enterprise, 20. März 1889.
  10. Donald R. McAdams und Douglas Hackleman, in ihren Artikeln in Spectrum, Bd. 10, Nr. 4 (1980), S. 27–41 und 9–15.
  11. Siehe Anhang, Vergleichstafeln für die Kapitel fünf bis neun.
  12. Chicago Tribune, 23. November 1980.
  13. Ebd.
  14. James White, Life Incidents in Connection with the Great Advent Movement (Battle Creek: Steam Press of the SDA Publishing Association, 1868). Siehe frühe Reviews von 1851–1856 mit Artikeln von J. N. Andrews und Uriah Smith.
  15. [Uriah Smith (Hrsg.)], „Plagiarism“, Review 24 (6. September 1864).