The Die Ellen-White-Untersuchung

Die Harmlose Notlüge

Kapitel 1

Wie man Geschichte verändert

Walter T. Rea


Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts hatte die Welt viel zusammenzuflicken. Amerika hatte seinen Wettstreit mit England gehabt und war an der Schwelle, eine Nation zu werden. Der europäische Kontinent kam ins Wanken nach einem weiteren verletzenden und erschöpfenden Kampf mit sich selbst, nicht ungleich dem, was schon seit Jahrhunderten vor sich ging. Die Nationen des Ostens (Rußland war das große Symbol) bereiteten dem Westen immer noch Sorge, so wie es gewesen war, seitdem die Territorien der russischen Religion die Schlacht um Tours im Jahre 732 (n. Chr.) geschlagen hatten und die mongolischen Horden vom Norden heruntergekommen waren, um zu versuchen, das Heilige Land den Christen zu nehmen.

Obwohl die Jahre von 1800 bis 1900 eine Zeit der Stabilisation waren, sind sie auch Jahre des Wandels und der Unsicherheit gewesen, eine Dichotomie, die in der Geschichte nicht ungewöhnlich ist. Politische, religiöse und soziale Werte sollten alle erneut untersucht und auf vielen Ebenen verworfen werden. In der amerikanischen Politik würde das Zwei-Parteien-System aufkommen, und die Territorien, die Staaten werden sollten, begannen, eine Form von Nationalismus zu kopieren. Persönlichkeiten sollten ihre Merkmale im nationalen und örtlichen Gesetz, sowie am politischen System hinterlassen. Der Bürgerkrieg würde eine Nation schwächen und doch vereinen. Die europäischen Nationen sollten ihren Kampf um Identität und Macht weiterführen.

Die Erschließung des amerikanischen Westens brachte große Veränderungen geistiger Werte mit sich. Land und Individualismus wurden wichtige Beweggründe im Leben des Menschen. Besitz war für viele zum ersten Mal erreichbar. Dinge, viele Dinge, wurden wünschenswert. Leben und Fortschritt, für viele (fast ein Jahrtausend lang) kaum erstrebenswert und für die Meisten (in anderen Teilen der Welt) kaum erreichbar, lag nun am goldenen Strand des neuen Landes und schien in Reichweite derer zu sein, die arbeiteten und danach trachteten. Die Möglichkeit, ein Wort in den meisten Teilen der Welt kaum bekannt, schien greifbar zu sein.

In der Religion konnte man in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, von 1820 bis 1850, einen der letzten Atemzüge des alten Dramas der Furcht und des Höllenfeuers im Namen Gottes und des Himmels sehen. Dieses Thema, das von beiden, Katholiken und Protestanten, auf den Bühnen Europas ausgespielt worden war, übersprang das Meer und wurde ein ausschließlich amerikanisches Phänomen in der Millerbewegung. Nur mit einigen Einzelheiten versehen, rollte es für die Furchtsamen und Schuldigen das alte religiöse Lied wieder auf, dass "jeder in den Himmel kommt, niemand sterben möchte." Aber sterben musst du, sagten William Miller und seine Anhänger, und sie bestimmten sogar den Zeitpunkt für das Ereignis. Nach vielen Problemen mit den himmlischen Rechnern setzten sie den 22. Oktober 1844 für das Ereignis fest (ausgenommen natürlich, irgendwelche ernsthaften Komplikationen).

Sie war ein großes Drama, diese Millerbewegung, mit Angriffen von jeder Gruppe von Spielern, die wild von einer Seite der Bühne zur anderen schwangen, wobei jeder beanspruchte, Gott auf seiner Seite zu haben. Zu jeder Zeit, an jedem Ort, hätte man gutes Geld zahlen müssen, um so eine Show zu sehen. Aber in Amerika war sie umsonst. Sie stellte Persönlichkeiten, Berufe, Predigten, Schmähschriften, Beschimpfungen, Gegenbeschuldigungen, Angriffe und Gegenangriffe dar — wahrhaftig ein zweiteiliger Krieg, alles im Namen Gottes. Wenn man über jene Tage liest, stellt sich die Frage, ob die wirkliche Streitfrage nicht dieselbe war, die es immer schon in der Religion gab: Wer wird die Konzessionen in der Gegenwart und der Zukunft kontrollieren?

Es währte nicht lange, bis eine Gruppe die Rechte aufkaufte. Eine Gruppe Übriggebliebener der Millerbewegung in Amerika entschied sich, das zu vermarkten, worüber Katholiken und Protestanten in Europa über Jahrhunderte weg gekämpft hatten. Anfangs dachten sie nicht an eine weltweite Bewegung. Aber wenn sich das Produkt verkaufen ließe, würde die Welt ihre "Auster" und der Himmel ihr Ghetto werden. Sie waren dabei, Adventisten zu werden; der siebente Tag würde ihr Banner und der Zweite Advent ihr Lied werden — beide Ideen waren aber schon Produkte, benutzt in der Millerbewegung.

Es gab wirklich nichts Neues an dem Banner oder an dem Lied. Die alten Hebräer hatten sich während der Zeit des Alten Testaments an den siebenten Tag gehalten. Die Christen des Neuen Testaments hatten sich der Zweiten Wiederkunft seit den Tagen Christi mit etwas Aufmerksamkeit und Lippenbekenntnis gewidmet. Aber die Namen, Daten und Plätze sollten geändert werden, um die Schuldigen zu beschützen. In den Gedanken von Ellen G. White (der geistlichen Führerin der Adventbewegung) und ihren Unterstützern entstand die Praxis, die Schrift (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) im Sinne adventistischer Vorstellungen und Glaubenslehren zu interpretieren — dies war keine neue Idee, aber eine, die in die Zeit des 19. Jahrhunderts paßte. Die Hebräer des Altertums förderten die Idee, dass sie die Bewahrer der Geheimnisse Gottes seien (und es gibt immer noch einige, die glauben, dass sie es sind). Die Katholiken in der Neutestamentlichen Zeit und danach arbeiteten daran, diese jüdische Idee zu vervollkommnen, um den Katholizismus zum Hüter aller Wahrheit zu stärken, sogar wenn sie einen Teil dieser Wahrheit an die Wand ketteten. Jetzt, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, war dies zur Aufgabe von Adventisten geworden.

Jede Gruppe oder Organisation muß — um die Idee aufrechtzuerhalten, ihnen die Konzession gegeben wurde, daß sie in der Tat die von Gott Erwählten sind, um die Ablässe für dieses Leben und das zukünftige zu verkaufen zu können — immer wieder die Arbeit anpacken, die Fakten der Geschichte neu zu ordnen und festzusetzen. Außerdem muß sie den Kanon (die Bibel des "wahren Gläubigen") umschreiben, so daß beide in Harmonie mit ihren vorgefaßten Ideen, falschen Auffassungen und Vorurteilen sind — wobei gleichzeitig beansprucht wird, daß die Heilige Schrift das endgültige Wort der Autorität darstellt. Eine gewaltige Aufgabe für jeden in jedem Zeitalter. Kein Wunder, daß sich die Idee nie wirklich für längere Zeit in der religiösen Welt gehalten hat, obwohl jene, die es versucht haben, eine "Eins" für ihre Anstrengung verdienen.

Ohne einen Gedanken an Mißerfolg trugen die Adventisten diese ehrfurchtgebietende Aufgabe der Person auf, die sie die "Schwächste der Schwachen" nannten, Ellen Gould Harmon. Ellen kam als Zwilling am 26. November 1827 in Gorham, Maine, zur Welt. Ihre Eltern waren Robert und Eunice Harmon, praktizierende Mitglieder der Methodistischen Episkopalen Kirche. Am 30. August 1846, drei Monate vor ihrem 19. Geburtstag, sollte Ellen James White heiraten.

Es gab keine Anzeichen, daß sie das Mädchen aus der Kleinstadt war, das es zu etwas bringen sollte. Sie fing weder mit Ruhm noch mit Glück an. Ihre Chance, es zu hohem Ansehen zu bringen, war gering, bis das Unglück ihr lächelte. Als sie neun Jahre alt war, geschah ein Unfall, der nach ihren Angaben "mein ganzes Leben beeinflußte".1 Wie der Apostel Paulus mit seinem Augenleiden war Ellen während des Rests ihres Lebens ein Produkt ihres physischen Mißgeschicks, woran wir oft erinnert werden. Sie hatte Ohnmachts- und Schwindelanfälle; ihr Nervensystem warf sie oft nieder; zeitweilig gab sie der Verzweiflung oder Verzagtkeit nach.

Nachdem sie von einem Stein am Kopf getroffen worden war, den eine Schulkameradin geworfen hatte, gab sie die schulische Ausbildung auf. Wie Adventisten gerne erzählen, genoß sie keine Ausbildung, die über die dritte Klasse hinaus führte.2 Was bemerkt werden sollte ist, daß sie keine formelle Ausbildung über diese Klasse hinaus erwarb. Jeder von uns lernt, solange er es wünscht und aufmerksam ist, und es gibt wenige Beweise, daß Ellen nicht aufmerksam war.

Hier war eine vorgefertigte Gelegenheit. Die Religionsgeschichte gibt genügend Hinweise, daß der "wahre Gläubige" viel eher die Gebote des Einfachen akzeptiert, besonders wenn diese mit dem Himmlischen in Zusammenhang gebracht werden. Besonders im westlichen Christentum konzentriert sich der religiöse Glaube im allgemeinen auf einige wenige Hauptthemen: Alle Menschen sind geschaffen (nicht unbedingt gleichwertig, dies ist eher eine neue politische Idee); alle Menschen sind Sünder (und Frauen auch, eine weitere neue politische Idee), was immer das bedeutet. Abhängig von der Definition des Systems von Sünde, ist das Leben eine Bootsfahrt durch ein Meer, vermint mit Sprengkörpern, die man Versuchung nennt — gewöhnlich definiert als Wein, Weib (oder Mann, je nachdem) und Gesang. Wenn der Vorhang fällt, hat der Mensch zu sterben.

Nun, das ist alles, außer dem Aufkommen von Aufregung und Bewegung, wenn verschiedene Personen (seien sie Gruppen oder Einzelne, Organisationen oder Banden) anfangen, einen Spielplan aufzustellen und sich über die Einzelheiten zu streiten. Zum Beispiel, wer war zuständig für die Schöpfung, wie viel Zeit beanspruchte sie, wer schrieb dabei alles auf und wie zuverlässig ist der Bericht über dieses Ereignis? Wer versah uns mit dem Anhängsel der Sünde? War es Gott, oder jene Schlange im Gras, die kam, als Adam im südlichen, vierzigsten Sektor war? Oder wurde sie uns von unseren Vorfahren vergangener Äonen vererbt? Oder ist der Teufel, wie der Weihnachtsmann, unser Vater?

Sünde hat schon immer Theologen und Nichttheologen gleichermaßen fasziniert. Nach dieser Version sind Theologen jene, die Gott definieren oder spielen. Natürlicherweise hat der, der Listen für andere aufstellt, einen Vorteil in dem Spiel. Durch die Geschichte hindurch hatten die meisten Mystiker, Gottgelehrten oder Theologen ein großes Vergnügen daran, Listen von Sünden aufzustellen. Einer der sichersten Wege, das zu tun, ist, in der Aufzählung diejenigen Dinge auszulassen, an denen man persönlich Vergnügen hat. Dies wurde von fast allen so gehandhabt, die solche Listen erstellten.

Jetzt muß die Gruppe oder Organisation noch jene letzte Frage anpacken: Wohin gehen wir beim Tod — und zu welchem Zeitpunkt (vorher, während oder nachher)? Noch niemand hat uns bis jetzt eine zufriedenstellende Antwort darauf gegeben. Da es sehr schwer ist, hierher zurückzukommen, wenn man das Diesseits verlassen hat, sind nicht zu viele Zurückgekehrt, um einen Bericht über das Jenseits abzugeben. Diese Tatsache allein gibt jemandem mit blühender Phantasie, Einbildungskraft und Fähigkeit, den Horror oder die Herrlichkeit des Jenseits (für einen Preis) zu beschreiben, großen Spielraum. Man kann sicher sagen, daß die Furcht vor der Reise, die wir noch nicht gemacht haben, die machtvolle Waffe in der Hand derer ist, die mit Hilfe einiger Mittel die Reise gemacht haben und zurückgekommen sind, um uns den Weg zu weisen. Ellen G. White war dieser Aufgabe gewachsen. Schließlich würde sie für den Gläubigen (durch die adventistischen Grundsätze) Informationen, Instruktionen, Warnung und Rat über all die vorangegangenen Themen hinterlassen.

Ellen war dieser Aufgabe gewachsen. Schließlich würde sie für den Gläubigen (durch die adventistischen Grundsätze) Informationen, Instruktion, Warnung und Rat über all die vorangegangenen Themen hinterlassen. Nach einem wackligen Anfang von "Verschmelzung von Mensch und Tier" in einem ihrer frühen Bücher3, berichtigte sie die Dinge später durch ihr Wissen von Paradise Lost4. Ihre außerkanonischen Visionen des Dämons, Kampfes und der Vertreibung von Satan und seinen Engeln gaben dem epischen Gedicht von John Milton Lebendigkeit und Form, die selbst den Bibelschreibern fehlten. Einige ihrer frühen Freunde bemerkten Ähnlichkeiten und machten sie darauf aufmerksam, aber sie wies die Frage mit derselben Leichtigkeit ab, wie sie es auch mit anderer Kritik tat. Ihr Enkel, der die Pflichten des Schlüsselbewahrers ererben würde, gab über eine Zeitspanne von 40 Jahren hinweg fast immer die selbe Erklärung ab — mit einer interessanten Abweichung in seiner Ergänzung von 1945 zu Band 4 ihres Buches The Spirit of Prophecy:

"Mrs. White bemühte sich immer, zu vermeiden, von anderen beeinflußt zu werden. Kurz nach ihrer Vision des "Großen Kampfes", am 14. März 1858, bei Versammlungen in Battle Creek, die an einem Wochenende stattfanden, erzählte sie von den Höhepunkten, die ihr in jener Vision gezeigt wurden. Bruder J.N. Andrews, der zu dieser Zeit in Battle Creek weilte, war sehr interessiert. Nach einer Versammlung erzählte er ihr, daß einige der Dinge, die sie gesagt hatte, sehr einem Buch ähnelten, das er gelesen hatte. Dann fragte er, ob sie Paradise Lost gelesen habe. Sie verneinte. Er sagte ihr, daß sie bestimmt daran interessiert sei, es zu lesen.

Ellen White vergaß das Gespräch, aber einige Tage später kam Bruder Andrews zu ihr nach Hause mit einem Exemplar von Paradise Lost und bot es ihr an. Sie war sehr beschäftigt, die "Große Kampf"-Version niederzuschreiben, wie sie ihr gezeigt worden war. Sie nahm das Buch, ohne wirklich zu wissen, was sie damit tun sollte. Sie öffnete es nicht, sondern nahm es in die Küche und stellte es auf einem hohen Regal ab. Sie war entschlossen, daß, wenn irgendetwas in jenem Buch dem ähnelte, was Gott ihr in der Vision gezeigt hatte, sie es nicht lesen würde, bis sie zu Ende geschrieben hätte, was der Herr ihr offenbart hatte. Es ist offensichtlich, daß sie später wenigstens Teile von Paradise Lost las, denn in Education ist eine Formulierung zitiert.5

Die hier angeführte Abweichung ist der letzte Satz in dem Zitat ihres Enkelsohns — das Bekenntnis, daß sie in der Tat John Miltons Werk gelesen hatte. Die Frage, die bleibt, ist, ob sie es vor oder nach ihrer "Vision" des Großen Kampfes gelesen hatte. Warum sie das Buch auf ein "hohes Regal" legte, blieb für viele ein Rätsel. Vielleicht je höher, desto besser — wegen der Versuchung. Wer weiß? Ein Schriftsteller, der das Problem von Mrs. White und Miltons Paradise Lost studierte, mag einige Antworten geben:

Von ungewöhnlicher Bedeutung ist die Wechselbeziehung in einer Anzahl von Beispielen, in denen beide Autoren mit einiger Genauigkeit Erfahrungen darstellen, die nicht in der Bibel erwähnt sind. Unter solchen Geschehnissen befinden sich folgende:

  1. Die Szene im Himmel vor und während der Rebellion, in der die treuen Engel versuchen, die Unzufriedenheit zurück zur Ergebenheit gegenüber Gott zu gewinnen.
  2. Die Warnung an Eva, an der Seite ihres Ehemannes zu bleiben; ihr nachfolgendes Irregehen.
  3. Die sorgfältig ausgearbeitete Umrahmung für die eigentliche Versuchung mit Satans Argumenten, Punkt für Punkt analysiert.
  4. Das detaillierte Bild der unmittelbaren Folgen der Sünde für Adam und Eva und für die Tier- und Pflanzenwelt um sie herum.
  5. Die Erklärung des grundlegenden Beweggrundes für Adams Fall: Blinde Ergebenheit seinem Weib gegenüber.
  6. Des Engels zeitliche Aufzählung zukünftiger Ereignisse vor Adam.
  7. Die Gefühle beider, Adams und Evas, als sie den Garten verließen.

Diese Übereinstimmungen in der Erzählung in Punkten, zu denen die Heilige Schrift schweigt, verstärkt die Frage: Warum stimmen diese zwei Autoren, die 200 Jahre auseinander lebten, so stark in Hauptpunkten überein?6 Andere Studien auf dem selben Gebiet haben Fragen gestellt und bei den Antworten versagt, warum beide Autoren, durch ungefähr 200 Jahre voneinander getrennt, die gleichen nichtbiblischen Begebenheiten erwähnen, obwohl der letzte Schreiber behauptet, vom Werk des ersteren nichts gewußt zu haben.

Nach und nach begann Ellen White in ihren Schriften (von welchen sie behauptete, sie würden durch "Visionen" entstehen), jeden Punkt protestantischer und katholischer Kontroversen zu betonen. Angefangen vom Anfang aller Dinge weiter bis zum Ende aller Ende, gab sie ein neues und oft erstaunlich ungenaues Bild des großen Kampfes, wie er in der Bibel dargestellt wird.

Obwohl sich Gläubige aller Glaubensrichtungen über den großen Kampf unklar sind, stellte sie ihre Version mit solcher Überzeugung dar, daß einige sie ihr abnahmen. Ihre Darstellungen der Begebenheiten, ihre "Ich sah"-Stellen, sollten so untilgbar in den Verstand einiger weniger eingeprägt werden, daß dadurch das zukünftige Muster des Adventismus für Generationen festgesetzt wurde. Zur gleichen Zeit verschloß ihre Darstellung die Tür, die dem Adventismus geöffnet worden war, einen bemerkbar andersartigen Beitrag zum Weltkonzept der Religion zu leisten.7 Und die Tür bleibt bis auf den heutigen Tag verschlossen, weil die Gemeinde des Advents nicht über die Interpretation des Kanons nach Schwester White hinwegkommt. Kein Denkmuster, kein Sichtbarwerden von neuen Werten, keine Interpretation der Schrift ist offiziell im Adventismus erlaubt bis sie nicht zuerst untersucht, getestet und erprobt und dann im Farbtuch von Ellen White gefärbt wurden.

Das Gleiche könnte man von den Mormonen sagen mit ihrem Joseph Smith, von den christlichen Wissenschaftlern mit ihrer Mary Baker Eddy, von den Zeugen Jehovas mit ihrem John F. Rutherford, von den Lutheranern mit ihrem Martin Luther und anderen mit ihren Schutzheiligen. Jede Kirche sieht die Welt um sie herum und die vorausliegende Zukunft durch die Augen ihrer Heiligen. Ob das eine Welt um sie herum ist, in der man leben kann, oder eine die man meiden soll, es muß mit dem Weg übereinstimmen, den ihr Heiliger ausprobiert hat. Ob da ein Himmel zu gewinnen oder eine Hölle zu meiden ist; deren Definition und Richtung und sogar die Bewohner müssen von dem Heiligen des Systems bestimmt werden und durch die Interpretation des Kanons durch den Heiligen, wie sie in den Schriften desselbigen dargelegt sind — welche dann auf den neuesten Stand von nachfolgenden Heiligen des gleichen oder eines ähnlichen Systems gebracht werden.

Es ist schwierig, wenn nicht unmöglich, für die heutigen Adventisten, sich selbst und ihre Heilige Ellen White in einer geschichtlichen Perspektive zu schauen. Ein Artikel von 1979, der sich mit dieser Anschauung beschäftigte verursachte Schockwellen in der Gemeinschaft, als er in Spectrum erschien, der unabhängigen Zeitschrift, herausgegeben von der Association of Adventist Forums. Dem Autor, Jonathan Butler, Professor für Kirchengeschichte an der Loma Linda Universität, gelang eine brilliante Arbeit, als er Ellen White als ein Produkt ihrer Zeit porträtierte: "Schwester Whites Vorhersagen der Zukunft erschienen als Projektionen auf einer Leinwand, die die Szenen der Welt ihrer Zeit nur vergrößerten, dramatisierten und verstärkten."8 Seine Schlußfolgerungen waren, daß sie ein Produkt ihrer Zeit war, genau wie wir Alle es sind, daß es ihre Welt war, die zu einem Ende kam mit den wechselnden Ereignissen der Geschichte, die sich nicht immer erfüllten, wie sie es gesehen hatte.

Dies war für die Adventisten eine bittere Pille, die sie schlucken mußten, insofern sie gelehrt worden waren, sehr isoliert über Ellen White und ihre Schriften zu denken, so als ob sie direkt vom Himmel gekommen und isoliert von allen Ereignissen geblieben wäre, während sie auf der Erde war. Es war nur natürlich, daß sie so denken sollten, denn sie hatten über Jahre hinweg gehört, daß "Schwester White sich immer bemühte, zu vermeiden, von anderen beeinflußt zu werden."9 Dieser Gedanke — nie zuvor auf irgendein menschliches Wesen angewandt — wurde der Adventistische Pfad in das Unwirkliche.

Es ist sehr oft, wenn überhaupt, kann man sich in der Religion mit reiner Wahrheit befassen, ob kleiner oder großer Art. Man kann sich nur mit einer Wahrheit befassen, die gefiltert, ausgeweitet, vermindert, begrenzt oder definiert ist von den "Ich sah”-Stellen aller Ellens der Christenheit — mit sehr viel Hilfe der Gottesgelehrten. Was sich von dieser ganzen Schaumschlägerei hervorhebt ist, daß die Landkarte für diesen Lebensweg und das kommende Leben, wenn es wirklich kommen sollte, vom "Klan" gezeichnet ist - und so der Plan des Klans wird. Der Himmel ist die Hauptpforte zur Isolation, wo all das Böse, wie wir es empfinden, hinausgefegt wird (was im Falle der Menschen, andere Leute bedeutet), und nur wir guten Menschen durchmarschieren können. So schaffen wir unser eigenes Ghetto.

Die nachfolgenden Kapitel versuchen, das adventistische Ghetto und wie es wuchs aufzuzeigen - nicht unähnlich den Ghettos anderer Glaubensrichtungen, aber mit einigen interessanten und abweichenden Verdrehungen.

Anmerkungen

  1. White, Ellen G.: Life Sketches of Ellen G. White, (Mountain View: Pacific Press Publishing Association, 1915), S. 17.
  2. White, Ellen G.: Christian Experience and Teachings, (Mountain View: PPA, 1922), S. 13-15.
  3. White, Ellen G.: Spiritual Gifts, 4 Bde., (Battle Creek: SDA Publishing Association, 1858-60-64), Bd. 3, S. 64.
  4. John Miltons Paradise Lost> reflektiert für einige die Besessenheit vieler englischer Poeten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Thema des Ursprungs des Bösen, wie es im I. Mose dargestellt wird. Milton selbst studierte systematisch mehr als 25 Jahre lang die Bibel, Geschichten und Chroniken, bevor sein episches Werk 1667 veröffentlicht wurde.
  5. White, Ellen G.: The Spirit of Prophecy. The Great Controversy between Christ and Satan, 4 Bde., (Battle Creek: SDA Publishing Association, 1870-77-78-84), Bd. 4, S. 535.
  6. Burgeson, Elizabeth: "A Comparative Study of the Fall of Man as Treated by John Milton and Ellen G. White", Spectrum 10, Nr. 2 (Aug. 1979): 2-13.
  7. Hanna, William: The Life of Christ, (New York: The American Tract Society, o. D. (Vorr. 1863)).
  8. Linden, Ingemar: The Last Trump, (Frankfurt a. M.: Peter Lang, 1978), S. 88-97.
  9. Butler, Jonathan M.: "The World of E.G. White and the End of the World", (Spectrum, Jg. 10, Takoma Park/MD. 1979 Nr. 2), S. 2-13.
  10. White, Ellen G.: The Spirit of Prophecy, a.a.0., Bd. 4, S. 535.