Die Entwicklung des adventistischen Ghettos begann fast unmittelbar, nachdem die Millerbewegung 1844 ihren Höhepunkt erreicht hatte und ihren Abstieg begann. Mithilfe von Ellen White und ihren "Visionen" war es Gott erlaubt, etwas von der Zimmermannsarbeit an den Wänden des Gemeindebaues auszuführen. Es wurde Ellen "gezeigt", dass die Tür der Gnade für all jene, die die Botschaft von 1844 nicht akzeptiert hatten, geschlossen war. So wurden die Welt und die meisten ihrer Bewohner vor der Tür gelassen. Linden gibt eine sehr angemessene Beschreibung der Ereignisse in seinem Buch The Last Trump.1
Exklusivität, die früh in jeder religiösen Planung anfängt, begann sofort. Sie ist der Ansicht verwandt: "Herr, segne mich und meine Frau, meinen Sohn John und seine Frau, uns vier und niemand anderen." Das Prinzip der geschlossenen Tür wurde von William Miller nie wirklich akzeptiert, aber zirkulierte unter einigen der Ausgeschiedenen. Offiziell hielt es sich bis nach 1850, als die Tür einen kleinen Spalt geöffnet wurde, damit die Kinder der treuen Mitglieder hindurchschlüpfen konnten und später die Ehegatten der Gläubigen.
Es ist überraschend, was ein bisschen Sauerteig dem ganzen Teig antut. Selbst heute sprechen Adventisten über Nichtmitglieder als "Außenstehende", "Schwager und Schwägerinnen der Gemeinde" oder "Nichterlöste", wenn sie sich manchmal vergessen. Tatsächlich war und ist fast jeder nach dem früheren wie dem späteren adventistischen Konzept verloren. Der Hauptgrund für die baldige Ablehnung der "geschlossenen Tür" war, dass jene, die das Boot 1844 verpasst hatten, zu sterben begannen. Danach waren bis in unsere Zeit alle jene, die Christus nicht akzeptierten, die Verlorenen. Alle Christen wussten das, aber um es etwas zu differenzieren und vielleicht um etwas Charme hinzuzufügen, meinte man aus adventistischer Sicht damit jeden, der am Sonntag anbetete (katholisch oder evangelisch); jeden, der rauchte, Tabak kaute, trank, Unzucht trieb, ins Theater ging oder irgendetwas trug oder aß, das Adventisten ablehnten – im Großen und Ganzen jeden, der nicht offiziell Teil ihrer Show war. Tatsächlich war die adventistische Auffassung wahrscheinlich nicht sehr viel anders als jene, die es zuvor gab; sie stellte nur in einer Liste alles zusammen, um die Auffindung jener zu erleichtern, die die Gemeinde verstoßen wollte, und um die Tür ein bisschen länger geschlossen zu halten.
Selbst jene um Ellen hatten es schwer, sie davon abzuhalten, Probleme zu eng mit ihren Visionen zu verbinden. James, Chefredakteur und Ehemann, musste verdeutlichen, dass es einen Spalt in der Tür geben könnte, über den Ellen keine Kontrolle hätte. 1851 fühlte er sich veranlasst, im Review and Herald einen umfangreichen Leitartikel zu publizieren (mit einem Hinweis an "jene, die irgendeine der Gaben des Geistes besaßen"), der folgende Worte enthielt:
Jene, auf die der Himmel die größten Segnungen ausgießt, sind in der Gefahr, "erhöht" zu werden und zu fallen. Darum müssen sie ermahnt werden, demütig zu sein, und sorgfältig über die erhaltenen Gaben zu wachen. Aber wie oft hat man solche für unfehlbar gehalten, und sie selbst waren geneigt, in sich die extrem gefährliche Idee aufzunehmen, dass *alle Eindrücke durch die direkte Eingebung des Geistes Gottes zustandekämen*. [Sperrung ergänzt].2
Derselbe Leitartikel wurde 1853 in voller Länge auf der Seite der Redaktion nachgedruckt. Dann, in einem Leitartikel von 1855, wies James White auf jene vorher publizierten Aussagen in gleicher Weise hin und fügte hinzu: "Kein Schreiber des Review hat jemals auf sie [die Visionen] als Autorität in irgendeinem Punkt hingewiesen. Der Review hat seit fünf Jahren deren keine veröffentlicht."3 Mit dieser Aussage wurde der Kampf begonnen. James sollte aber verlieren.
Man braucht Geschicklichkeit, um sich seinen Weg durch zwei Probleme gleichzeitig zu bahnen. Oft findet ein solch' geschickter Geist wertlose Aussagen, aber das macht sehr viel Spaß. In der Theologie ist es ein besonderes Vergnügen. Die erste Regel, die man zu lernen hat, ist, sich nicht genau auszudrücken. Die zweite Regel ist, es so zu sagen, dass niemand deine philosophischen Schlussfolgerungen in Frage stellen kann (wenn du zu irgendeiner gelangst). Es ist, als ob man über alles ein wenig erfährt, sodass man bald alles über nichts weiß. In den meisten Bibliotheken ist die religiöse Abteilung unter dem Oberbegriff der Philosophie zu finden – und das ist genau das, das Definieren und nochmalige Definieren von Ausdrücken und Ideen, die sich dem Definieren über Jahrhunderte hinweg widersetzten.
Ellen und ihre Helfer waren Meister darin, alte Ideen wieder aufzuarbeiten. Nach der großen Enttäuschung vom 22. Oktober 1844 und der unnützen Festlegung von einigen anderen Zeiten und Daten, und nachdem der größte Teil der Welt der Hölle übergeben war, weil er nicht an das glaubte, worin die Milleriten/Adventisten selbst Unrecht hatten und was sie gar nicht verstanden, hatte die Gruppe immer noch das Problem mit der geschlossenen Tür der Gnade. Als in Ellens Worten die Zeit etwas vorangeschritten war, wurde das Problem dringlicher. Wenn die Adventisten die Tür in theologischer Sicht öffneten, würden sie zugeben, sich geirrt zu haben. Wenn sie die Tür geschlossen hielten und der liebe Gott nicht käme, um sie aus dem Dilemma herauszuholen, dann würden sie alle sterben und es würde keinen Unterschied mehr machen, ob die Tür nun offen oder geschlossen war.
Mit dem Geschick eines Chirurgen schnitten sich Ellen und ihre Gruppe einen Weg frei, ohne die Tür überhaupt zu öffnen, aber sie benahmen sich gleichzeitig so, als ob sie es täten. Dieser Balanceakt wurde durchgeführt, indem man das akzeptierte, was sich in die "Hauptsäule" des adventistischen Glaubens verwandeln würde, die Theorie des Heiligtums. Diese Theorie, die zur Hauptlehre der Gemeinde wurde, ist zuerst von O.R.L. Crosier hervorgehoben worden, der sie nachher aber unberechtigt zurückwies.4 Was die Theorie bewerkstelligte, ist, die Tür hier auf Erden zu öffnen, sie aber in den himmlischen Höfen zu schließen. Mit den Worten des einst populären Liedes: "Schöne Arbeit, wenn du sie bekommst, und du kannst sie bekommen, wenn du dich bemühst." Die Adventisten bemühten sich fleißiger als die meisten anderen. (Tatsächlich bemühen sie sich immer noch, und das hat die große Aufregung verursacht über die unterschiedlichen und doch miteinander verwandten Anliegen, die von Paxton, Brinsmead und Ford ausgesprochen wurden).5
Um eine sehr lange Geschichte kurz zu machen, hier sehen wir genau, was nach der Enttäuschung geschah, als Christus 1844 nicht kam. Ein ehemaliger Millerit erzählte, dass er eines Tages, als er nachdenklich durch ein Maisfeld ging, auf den Gedanken kam, dass das Datum, das die Milleriten akzeptierten, zwar richtig war, aber das Ereignis verwirrend wäre. Es war nicht diese Erde, die von der Gnade abgeschnitten war und Gerechtigkeit empfangen sollte, sondern umgekehrt. Im Himmel wurde über Gerechtigkeit entschieden. (Und Gnade konnte immer noch auf Erden empfangen werden.) Dieser Vorgang verlangte nach einer umfassenden himmlischen Buchprüfung, einem Durchsehen der Akten, weiterem Niederschreiben von Taten, die getan und nicht getan wurden, und nach einem Betrag von einem riesigen Berg von Zahlen, wobei man einige Zeit brauchte, diese zusammenzurechnen – daher die Idee der Gnadenzeit. Zusätzlich war sogar noch Raum für die Dinge, die wir nicht taten oder die wir nicht dachten. Ellen soll geschrieben haben, dass "wir individuell verantwortlich gemacht werden für jeden Jota, den wir weniger getan haben, als wir zu tun fähig gewesen wären. Wir werden danach gerichtet werden, was wir hätten tun müssen, aber nicht schafften, weil wir unsere Kräfte nicht zum Lobpreis Gottes benutzten... für alles Wissen und Können, das wir nicht erlangt haben, obwohl wir es könnten, wird es einen ewigen Verlust geben."6
Es war wie ein Aufruf, Farbe zu bekennen. Dass einige meinen, der arme Mann im Maisfeld hätte eine Vogelscheuche anstatt einer Vision gesehen, macht nichts aus. Kein Trainer hätte seine Mannschaft mit einer besseren Rede inspirieren können. Mit einem "Lasst uns ein Spiel für den Chef gewinnen", rannten die Spieler aufs Feld – seitdem laufen sie und haben eines der vollendetsten Systeme der Gerechtigkeit durch Werke entwickelt, das die Welt jemals gesehen hat – seit dem Fall von Jerusalem 70 n. Chr.
Nachdem sie akzeptiert hatten, dass die Gerechtigkeit seit 1844 im Himmel geregelt wird, fanden die Adventisten nie Geschmack an der Idee, dass Barmherzigkeit und Gnade auch auf Erden erhältlich seien. In den 70er und 80er Jahren unseres Jahrhunderts, als die Australier (Paxton, Brinsmead und Ford) ihre Meinung verlautbarten, wurde der fadenscheinige Vorwurf an sie gerichtet, dass sie mit "billiger Gnade" hausieren gingen. Dies zeigt lediglich, dass jene Kritiker die Sicht des Evangeliums nicht akzeptiert hatten, dass Gnade sogar noch billiger ist – sie ist umsonst.
Als diese Männer an die Öffentlichkeit traten, isolierte sie das System wie Aussätzige. Sobald sie anfingen, Tonbänder anzufertigen, um ihre Ansichten zu äußern, sagten die leitenden Beamten, dass, wer immer diesen zuhörte, einen "Tonbandwurm" habe. Daraufhin beendeten sie ihre Versammlung mit der Bekanntmachung, dass ihre eigenen Reden für einen kleinen Beitrag an der Tür auf Kassetten zu haben seien. (Es ist wohl bekannt, dass Kirchen mehr Kassetten als die meisten anderen Institutionen verkaufen, aber dies ist ein verletzender Wettkampf. Irgendjemand versucht immer, sich in das himmlische Geschäft hineinzuboxen.)
In den späten 70er und 80er Jahren klopfte Desmond Ford, ein sehr begabter Redner, so hart an die Tür der Gnade, dass seine Stimme auf der ganzen Welt Gehör zu finden begann. Nichts mögen Administratoren weniger als Herausforderungen und lauten Lärm. Darüber hinaus möchten sie sich nichts über Theologie sagen lassen, ein Thema, das ihnen so fremd ist, wie das Griechische, das einige von ihnen gerade noch beherrschen und das sie nie benutzten. Aber jene Tür, die Ellen und ihre Helfer 1844 geschlossen hatten, musste geschlossen bleiben. So wie die vier Reiter der Offenbarung bestiegen sie ihre modernen Pferde in Richtung des Sanctuary Review Committee, das sich am 10. August 1980 auf der Glacier View Ranch in Colorado traf. Die Sicherheitsvorkehrungen dort würden die CIA stolz gemacht haben, und eine Pressekonferenz des Präsidenten der Vereinigten Staaten würde daneben wie ein Pfadfindertreffen aussehen. Es war eine wahrhaftig internationale Gruppe von ungefähr 115 Leuten. Der größte Teil der Teilnehmer kann zu der Kategorie der Exekutive gezählt werden und ist deshalb auf die eine oder andere Art an die Gemeinschaft gebunden. Einige der Administratoren, welche (um es nett auszudrücken) nicht theologisch orientiert waren, versuchten sich an jene verschlossene Tür zu lehnen – und schlugen sogar eine Form von Loyalitätseid vor, gegenüber der Gründerin Ellen und ihren Vorstellungen. Wenn die Versammlung überhaupt zu einer Feststellung kam, dann zu der, dass es heutzutage viel billiger ist, einen Mann von weitem zu erschießen, als ihn öffentlich aufzuhängen. Sie stellten auch fest, dass Gerechtigkeit, wie sie von den Führern definiert wird, und nicht Barmherzigkeit immer noch das Anliegen der Gemeinde ist. Am Ende, nach einer Menge von Wortspielen und Silbenrätseln, wurde Ford entlassen.7
Das Ergebnis war niemals wirklich bezweifelt worden. So überraschte es nicht, als der "gute alte" Review ausposaunte: "Überblick über eine historische Zusammenkunft: Das Sanctuary Review Committee, charakterisiert durch Einheit und überwacht vom Heiligen Geist, findet starke Unterstützung für die historische Position der Gemeinschaft."8 Die Scharniere an der geschlossenen Tür waren tatsächlich rostig geworden seit 1844 und Ellens räuberischem Einfall in die Theologie. Obwohl Freunde und Feinde zugleich über Jahrzehnte verzweifelt versucht hatten, die Tür etwas zu öffnen, waren die Brüder schlau genug zu sehen, was vielleicht andere (etwa Theologen) nicht sahen: dass, wenn diese verschlossene Tür je geöffnet wird, der adventistische Himmel und das Ghetto zerstört würden, indem sie zugänglich gemacht würden für alle, ohne Rücksicht auf Rasse oder Glaubensbekenntnis und die Adventgemeinde für immer ihr exklusives Anrecht auf den Himmel verloren hätte.
Die Ereignisse mussten so geformt werden, denn ein Teil der adventistischen Theologie besteht daraus, dass die Erlösten (gemeint sind natürlich sie, die treuen Adventisten) eines Tages, während des goldenen Zeitalters des Millenniums, auf jenen perlweißen Thronen der Zukunft sitzen und helfen werden, die Sünder zu richten. Dort werden ihnen endlich all die Leckerbissen über die Taten und Sünden anderer enthüllt. Dieser Gedanke allein hat vielen Treuen geholfen, bis zum Ende durchzuhalten – sich vorzustellen, alles über jene zu wissen, die es nicht schafften, und warum sie scheiterten. Und wenn alles beendet ist, werden sie Gott gegenüber ein Vertrauensvotum ablegen und ihm danken, dass alles so geschah, wie sie meinten, dass es hätte von Anfang an geschehen sollen.9
Ein anderer sehr wichtiger Grund, diese Tür entweder hier oder im Himmel geschlossen zu halten, ist die Evangelisation. Wie könnten sie sich je mit der Idee anfreunden, dass andere mit abweichenden Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen genauso gerettet sind wie sie selbst? Was würde es der Auffassung der Adventisten antun, der gemäß all' die anderen Kirchen die Hure darstellen, von der das Buch der Offenbarung spricht? Diese Auffassung kam direkt von der Prophetin. Sie hatte in den Kellergewölben katholischer Kirchen Folterkammern gesehen, in denen alle Menschen, die letztendlich den Sonntag heiligten, das "Malzeichen des Tieres" erhalten würden und in denen Adventisten, wie einst die Waldenser und Hussiten, in den Bergfestungen wie Hunde gejagt würden, um enteignet und schließlich durch das Schwert getötet zu werden.
Es gibt keinen besseren Antrieb zum Handeln, als die Furcht. Aus Furcht kann der Lahme die höchsten Mauern erklimmen, der Blinde genug sehen, um dem Hindernis aus dem Weg zu gehen, und der Stumme kann plötzlich fließend sprechen. Liebe, die Motivation, die von der Bibel favorisiert wird, hatte ihre beste (und manche denken die letzte) Darstellung am Kreuz gefunden – und das war vor langer Zeit. Außerdem muss Liebe erlernt werden. Die Furcht, mit ihrem Zwilling Schuld, lauert immer in den Winkeln des Denkens und steht zur Verfügung, sobald jemand den richtigen Knopf drückt. Und Theologen, Gottesgelehrte und geistliche Führer sind Experten, wenn es darum geht, die richtigen Knöpfe zu finden.
Den übrigen von 1844 war die Vorstellung nicht neu, dass Gerechtigkeit von den Bußfertigen erworben werden musste und dass Barmherzigkeit umsonst war. Aber dieser Gedanke wurde durch die Feder Ellen Whites besonders betont; in ihrem Geist gab es äußerst dunkle Schatten, die zur Oberfläche drängten. In ihren Testimonies for the Church erzählt sie ihre frühen Erlebnisse.
Es kann nicht außer Acht gelassen werden, dass sie mit neun Jahren von einem Stein getroffen wurde und die Schwere des Schlages ihr später den Eindruck vermittelte, sie wäre beinahe gestorben. Sie war fürs Leben entstellt. Sie sagte, dass sie drei Wochen "wie betäubt" darniederlag. Als sie sich erholte und sah, wie entstellt sie war, wollte sie am liebsten sterben, wurde melancholisch und mied die Gesellschaft von Menschen. E.G. White schrieb: "Mein Nervensystem brach zusammen."10 E.G. White schrieb: "Mein Nervensystem warf nich nieder." Von schrecklicher Furcht erfüllt war sie einsam und oft durch den Gedanken beunruhigt, dass sie "ewiglich verloren" sein könnte. Sie dachte, dass "das Schicksal eines verdammten Sünders" das ihre wäre und sie fürchtete, ihren Verstand zu verlieren.11
Hier ist aber ein Mädchen im Teenageralter von 13 bis 17 Jahren, die schwächlich, kränklich, nicht geschult, leicht zu beeindrucken, ungewöhnlich religiös und erregbar war, als sie das erste Mal William Millers Vorträge 1840 besuchte, die das Ende der Welt für 1843–44 vorhersagten. Während dieser Zeit glaubte sie selbst, dass sie vom Himmel ausgeschlossen wäre. In der Tat erfuhr sie in ihrem Leben, dass sie ausgeschlossen war und weit entfernt von den Menschen um sie herum lebte. Mit der Zeit mäßigte sich ihre Haltung und sie fühlte sich etwas mehr akzeptiert. Aber ihre Schriften, selbst in ihren Büchern der 1870er und 80er Jahre, zeigen klar eine Person, die mit großer Besorgnis auf vieles schaute, das als wirkliches Leben um sie herum existierte. Sie lebte in einer furchterregenden Welt und verlangte nach einer Zeit, in der alles, wovor sie Angst hatte, schließlich enden würde.12
Es gelang ihr, für sich selbst diese Isolation zu schaffen. Ihre verschlossene Tür aber ist heute immer noch im Geiste vieler Adventisten geschlossen. Mit jeder neuen weltweiten oder regionalen Krise, jeder neuen Sitte, die nicht akzeptabel ist, und all den sich verändernden Moralbegriffen, verschließt der Adventist seine Türe etwas fester, schläft mit gepackten Koffern und sehnt sich nach jenem letzten Akt der Gerechtigkeit, der ihm und seinem Clan allein die Gewissheit der Gnade gibt, die sie so sehr brauchen.13
William S. Sadler aus Chicago – ein weltbekannter Arzt und Chirurg seiner Zeit – ein Schriftsteller, persönlicher Freund von Ellen White und Schwiegersohn von John Harvey Kellogg – schrieb:
Hie und da taucht jemand auf und versucht andere Leute das glauben zu machen, von dem er selbst meint es zu hören oder zu sehen. Selbsternannte "Propheten" erscheinen, um uns von der Wirklichkeit ihrer Visionen zu überzeugen. Seltsame Genies tauchen auf und erzählen uns von den Stimmen, die sie hören, und wenn sie ziemlich normal und in jedem Fall gesellschaftlich annehmbar sind, gelingt es ihnen manchmal, sich eine große Anhängerschaft aufzubauen, Kulte zu schaffen und Gemeinschaften zu etablieren. Wenn sie andererseits zu übertriebene Einbildungen haben, wenn sie bei ihrem Sehen etwas zu weit gehen oder ein klein wenig zu viel hören, werden sie prompt gepackt und schnellstens sicher hinter den Mauern einer Nervenanstalt untergebracht.14
Dieser Hafen der Einbildung ist ein sicherer Platz. Er wird nicht von Logik, Argumenten, Beweisen oder der Realität herausgefordert. Und obwohl ihnen alle Nährstoffe des rationalen Verhaltens und der Überzeugung vorenthalten werden, glauben die Menschen doch noch an das Unglaubbare. Die Idee der geschlossenen Tür, des Untersuchungsgerichts und die Verleugnung der biblischen Lehre von göttlicher Gnade und Erbarmen, die allen seit dem Kreuz umsonst verfügbar ist, wurden von den Adventisten aufgegriffen und von Bedingungen abhängig gemacht. Dies geschah auf der Basis von Vorstellungen, die von den meisten verworfen worden waren (selbst von den Urhebern), aber von Ellen White gutgeheißen und gefördert wurden.
Dies bringt uns nun zu der letzten Tür, die 1844 von Ellen White und den übrigen der Milleriten geschlossen wurde – dem Evangelium, der Guten Nachricht von der Erlösung. Die Sünden des Adventisten sind nie wirklich vergeben. Sie werden in den Büchern des Himmels bis zum Zahltag, dem Gerichtstag, aufgehoben. Kein System, das durch solch einen Skandal gedeiht und sich verewigt, kann dem menschlichen Geist oder der Lebenspraxis Glückseligkeit bringen.
Die fortwährende Überprüfung der Gemeinde, die täglichen Inspektionen durch den Verstand und die gerichtliche Untersuchung des Lebens, das Vergleichen mit dem Leben anderer, um zu sehen, ob man dem Vergleich standhält – dies untergräbt Kraft und Mut. Zu dem Zeitpunkt, an dem der "wahre Gläubige" seine täglichen geistlichen Übungen absolviert und seine Liste der Gebote und Verbote überprüft hat, ist er erschöpft. Seine Auffassung über das Leben ist, dass Gott ihn über jeden Hügel, hinunter in jedes Tal und durch jeden Wald schindet, bis er total erschöpft oder tot zusammenbricht. Jedenfalls beugt sich, wenn seine Schulden abbezahlt sind, der Herr über ihn und sagt: "Gut gemacht, du guter und getreuer Knecht."15
In solch einem System wird der Schutzheilige zum Ersatz für den Erlöser. Der Himmel und das Gegenwärtige werden durch die Augen dieses Heiligen des 19. Jahrhunderts betrachtet. Werke werden zum Weg, um die Zugeständnisse, die von den Privilegierten bewilligt werden, zu gewinnen und zu behalten. Das Leben wird ein "heiliger" Wettstreit mit anderen Gläubigen. Kein Mensch möchte auf einem Gebiet einen Wettkampf abhalten, auf dem er sich nicht auszeichnet; deshalb steckt sich jeder ein Gebiet ab, auf dem er am besten arbeiten kann. Dies kann das Essen für den einen, die Kleidung für den anderen oder das Klosterleben für die Extremen sein. Was immer die Aufgabe sein mag, das Leben wird eine einzige Anstrengung sein, um die Konkurrenz auszuschalten, um jene eingeseifte Kletterstange als Erster zu erklimmen. Wenn jemand nur "bis zum Ende durchhält" und die Konkurrenz überdauert oder übervorteilt, dem sagt die Gerechtigkeit zu, dass sein Platz im zukünftigen Leben gesichert ist, selbst wenn es eine Hölle war, im Hier und Jetzt zu leben.
So war es immer und wird es immer sein, wenn die Ellen Whites dieser Erde ihre Nachfolger überzeugen, dass Gott mit himmlischer Buchhaltung die menschliche Seele retten bzw. das Verlangen nach Gerechtigkeit zufriedenstellen will. Wann immer Theologen oder Gläubige versuchen, semantische Spiele mit Lehrsätzen zu treiben, kommen sie dahin, den Erlöser und das Evangelium hier auf Erden zu verlieren und ein mystisches Durcheinander aus der zukünftigen Welt zu machen. Wie wenig waren doch die Junge Ellen White und ihre kleine Gruppe von treuen Gläubigen sich im Klaren, dass sie eigentlich Zehntausende vom Herrn fernhielten, als sie die Türe 1844 schlossen, um zwar ihr Gesicht trotz der erlebten Enttäuschung zu wahren, aber dabei eine Tür der Liebe und des Erbarmens für viele andere auf ewig geschlossen hatten. Das haben all' die erfahren, die versuchten, unter welcher Überschrift auch immer, zu Bewahrern der Schlüssel des Himmelreiches zu werden – dieses Evangeliums der Guten Nachricht.