Die Welt wird "kaum bemerken, noch sich lange erinnern" (um einen Ausspruch eines berühmten Präsidenten zu zitieren) an das, was Ellen in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts schrieb. Viele ihrer Aussagen [wie die "Verschmelzung zwischen Mensch und Tier"; der Turmbau zu Babel, der vor der Flut stattfand; die unkorrekten Gedanken über die Formation von Kohle sowie die Ursachen von Erdbeben, Vulkanen und feuriger Ausflüssen) kamen nicht an, und das ist keine Übertreibung. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß das Werk, das all' diese Aussagen enthielt, Spiritual Gifts (Bde. eins und zwei), ein Bestseller wurde.1
Zur Verteidigung von Spiritual Gifts sollte man herausstellen, daß die adventistische Organisation mit ihrem System von Druckereien, Buchevangelisten, Suchläden, Werbeorganisationen und einer großen Schar von bezahlten Angestellten (die jetzt benutzt werden, um die Gemeinde und die Welt zu katechisieren) noch nicht ausgereift war. Insofern als es nur 3000 Adventisten zu dieser Zeit gab (von denen viele nicht lesen oder dies nicht konnten) hatte Spiritual Gifts so viel erreicht, wie man erwarten durfte.
Einige andere Wagnisse der Druckkunst waren sogar noch weniger erfolgreich. Viele Kontroversen entwickelten sich über den Druck einiger früher Ideen Ellens in der kleinen Broschüre A Word to the Little Flock (D: "Ein Wort an die kleine Horde"/1847 von James White veröffentlicht), welche ihre Ansichten über die "geschlossene Tür" und über Streitpunkte im Bereich der Visionen unterstützte.2 In späteren Auflagen würden beide, A Word, und eine andere Schrift namens Present Truth (D: "Gegenwärtige Wahrheit"/herausgegeben zwischen Juli 1849 und November 1850) durch dieselben Etappen der Revision laufen, die in den kommenden Jahren viele Zweifel erregen würden.3
Es ist nur fair, festzustellen, daß Ellen all dieses Umstellen von Geschichte und Theologie neu war. Da Gott ihr nicht viel Material gab, womit sie etwas anfangen konnte, mag dies dazu beitragen, einiges von dem Durcheinander zu erklären. Tatsächlich würde es zeitweilig so erscheinen, als ob sogar Gott durcheinandergekommen wäre, denn sie würde andere wissen lassen, Gott hätte ihr gezeigt, daß "seine Hand darüber war und einen Fehler in einigen der Berechnungen von 1843 verbarg."4 Genauer wurde ihr gezeigt, daß "die Zeit Jesu im Allerheiligsten fast beendet war und daß es nur noch ein wenig länger andauern kann."5 Sogar die Engel wurden in die ganze Angelegenheit verwickelt, in der Vision vom 27. Juni 1850: "Mein begleitender Engel sagte: 'Die Zeit ist beinahe beendet...' Dann sah ich, daß die sieben letzten Plagen bald ausgeschüttet werden sollten."6 Damit niemand den Eindruck bekommen könnte, dies seien mehr allgemeine Aussagen und sie nur oberflächlich oder philosophisch aufgenommen werden würden, fügte man hinzu, daß "die Zeit beinahe beendet ist und was wir in Jahren gelernt haben, andere in wenigen Monaten zu lernen haben werden."7
Mit diesem Hintergrund des Hin und Her kamen die Adventisten zu einer interessanten Ansicht über Prophetie und Ellens oft extreme Erlautbarungen. Diese Art der Erklärung, die nun "bedingte Prophetie" genannt wurde, ist im Seventh-day Adventist Commentary ausgeführt.8 Eine lockere Übersetzung seiner Beweisführung hört sich ungefähr so an:
Gott, welcher fähig ist, das Ende von Anfang an zu sehen, könnte unfähig sein, das ganze Ende von Anfang an zu sehen. Unter diesen kurzsichtigen Voraussetzungen muß Gott alle seine Wetten absichern, wann auch immer er an die Öffentlichkeit tritt, da vieles auf diesem Gebiet Glücksspiel ist. Falls sich die Ereignisse plötzlich zum Schlimmeren wenden und mit seinem Bericht oder mit dessen Interpretation nicht übereinstimmen, sind es die Umstände, die einen Fehler gemacht haben, nicht Gott.
Mit solch einer Münze wie der bedingten Prophetie können alle Vertreter Gottes sicher sein, daß sie mit Kopf gewinnen und du mit Zahl verlierst. Aber die Vertreter Gottes und Gott haben immer und in jedem Fall recht.
Eines der besten Beispiele dieser Art von Beweisführung war die Aussage über einige vertrauliche Informationen, die Ellen von dem Engel 1856 erhielt:
Mir wurden die Mitglieder, die an der Konferenz teilnahmen, gezeigt. Der Engel sagte: "Einige sind Futter für die Würmer, einige werden den sieben letzten Plagen ausgesetzt sein, einige werden am Leben und auf der Erde bleiben, um beim Kommen Jesu verwandelt zu werden."9
Diese Aussage - mehr als die meisten anderen - schuf die Basis für eine ganze Anzahl von Nachforschungen. Man kann leicht das enorme Interesse sehen, das an der Frage aufkam, wer bei dieser Konferenz teilgenommen hatte. Wie alt sie zu dieser Zeit waren, wie viele immer noch lebten, wer bereits den Weg allen Fleisches gegangen war und ob manche in die falsche Kategorie eingereiht worden waren, aber auf besondere Weise auferweckt würden, um einer anderen Kategorie angepaßt zu werden. Diese endlosen Diskussionen machten es durch eine Differenzierung offensichtlich, daß in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts Jemand im Lebensalter von ungefähr 130 Jahren sein müßte, um die Bedingungen zu erfüllen; obwohl einige immer noch sagen, dies sei bei Gott nicht unmöglich — eine Aussage, an der man wohl nicht rütteln kann, da ja Gott in der Waagschale liegt.
Selbst mit Hilfe des Poeten John Milton und seines Paradise Lost verlief nicht alles so glatt und reibungslos. Eine sorgfältige Untersuchung in den letzten Jahren hat sehr enge Parallelen zwischen den Schriften Ellen Whites und dem Buch Jasher offenbart - ein in der Bibel angeführtes Buch, das aber nie ein Teil von ihr war. Francis D. Nichol (Autor des 20. Jahrhunderts, Review-Redakteur und ein standhafter Anhänger Ellen G. Whites) gab auch zu, daß sie dem 2. Buch Esdras zu Dank verpflichtet ist, einem anderen Schreiber des Altertums, der nicht in den Kanon aufgenommen war, der aber von Ellen auf dieses Niveau gehoben wurde. Einige ihrer Aussagen über Ereignisse der letzten Tage benutzen z.T. die Terminologie und bildliche Sprache Esdras' und fügten ihren Beschreibungen Farbe, wenn nicht sogar Autorität hinzu.10
Aber die Dinge änderten sich in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Trotz der Hilfe, die sie von denen erhielt, die um sie herum waren (und von den Engeln, die ein- und ausgingen), erwarb sie jetzt eine neue Fertigkeit, die für den Rest ihres Lebens den Ton angeben würde. Ihrer "dreijährigen" Schulausbildung zum Trotz war von ihr bekannt, daß sie las und auch spätere Berichte zeigen, daß sie las und las und noch mehr las. In den 70er Jahren dieses Jahrhunderts kam es ans Licht, daß sie in dieser Kunst von ungefähr 500 Büchern und Artikeln ihrer Bibliothek und von den ihr zur Verfügung stehenden Bibliotheken unterwiesen worden war. Weiter vorausgeschrittenes Licht legt sogar nahe, daß mehr Material benutzt wurde als selbst den Mitgliedern des White Estate bekannt war — und von ihnen nahm man an, sie wären über all diese Dinge informiert. Auch hatte sie nun einen freien Stil des Kopierens erlernt, der von jener Zeit an bis heute als "Borgen" bekannt wurde.
Ohne Rücksicht auf diese Art menschlicher Hilfe - plus einer zusätzlichen Anzahl von Assistenten, Buchredakteuren, Sekretären und Helfern - bestand Ellen White immer darauf, zu sagen, daß alles von Gott kam. Sogar zu einem so frühen Zeitpunkt wie dem zweiten Band von Spiritual Gifts (1860) erklärte sie:
Ich bin im Auslegen oder Wiederschreiben genauso auf den Geist des Herrn angewiesen wie im Empfangen einer Vision. Es ist unmöglich mir Dinge ins Gedächtnis zu rufen, die mir gezeigt wurden, außer daß der Herr sie mir vorlegt zu der Zeit, zu der es ihm genehm ist, daß ich sie berichte oder niederschreibe.11
Diese erstaunliche Aussage ging weit über alles hinaus, was die Schreiber der Bibel je für sich selbst in Anspruch genommen hatten; und tatsächlich ging sie weit über alles hinaus, was sie selbst je beansprucht hatte. Dieses Farbe-Bekennen war ansteckend. Andere nehmen diesen Ruf wahr und haben ihn seitdem immer benutzt. Daß andere das Motto aufnahmen, das die Prophetin selbst niedergelegt hatte, illustriert lediglich, wie vorteilhaft es ist, immer der Anführer zu sein. George A. Irwin (Präsident der adventistischen Generalkonferenz von 1897-1901) folgte ihrer Führung, indem er in einem Traktat mit dem Titel "Das Zeichen des Tieres" (1911) erklärte, daß:
Von Standpunkt des Lichts aus, das durch den Geist der Weissagung [Frau Whites Schriften] gekommen ist, wird die Frage erwägt werden, weil wir glauben, daß der Geist der Weissagung der einzige unfehlbare Interpret der biblischen Aussagen ist, da Christus durch dieses Werkzeug die wirkliche Bedeutung seines eigenen Wortes darlegt. (Sperrung ergänzt).12
Niemand stand zu jener Zeit gegen diese Behauptung auf. Dies zeigt, wie weit und wie schnell es ein Kleinstadtmädchen mit den richtigen Verbindungen zu etwas bringen kann. Wie Ellen selbst immer wieder erklärte, reichten ihre Verbindungen hinauf bis zur höchsten Stelle.
Es waren einige Säuberungsaktionen nötig, um etwas aufzuräumen und in die Leute im Hintergrund Ordnung zu bringen, die einige Befürchtungen über das hegen könnten, was sie gesehen und gehört hatte. Aber dies war nur eine unbedeutende Sache.13 Eine der beliebtesten Waffen im Arsenal eines geistlichen Führers ist, das Gericht über dem Haupt des Abgefallenen zu beschwören und Ellen fühlte sich auf diesem Gebiet der "Kriegsführung" ganz zu Hause. Nicht viele der späteren Mitglieder der Gemeinschaft wußten, daß oft ihre "Zeugnisse" in den Druck oder auf die Kanzel gesandt wurden, bevor sie jenen ausgehändigt worden waren, die gerügt werden sollten. Diese Gewohnheit, publik zu machen, was oft auf Gerücht und Klatsch basierte, dem Empfänger wenig oder keinen Raum für die eigene Verteidigung zu lassen, machte Ellen gewöhnlich zum Sieger. Als Antwort auf ihre verbreitete Einladung an jene, die in Bezug auf ihre Zeugnisse "verwirrt" waren, ihr deren Einwände und Kritik zu schreiben, wandten sich zwei Ärzte - nämlich Charles E. Stewart und William S. Sadler - an Ellen. Sie drückten ihre Einwände gegen Ellens Praxis der Veröffentlichung als nichtbiblisch und anderweitig nicht stichhaltig aus. Aber, soweit bekannt ist, nahm sie niemals die Herausforderung an, ihnen zu antworten, wie sie es versprochen hatte.14
Andere fanden bald, daß es nutzlos war, gegen Gott zu kämpfen, zumindest öffentlich. Uriah Smith erfuhr es auch - und er erklärte sich auf diskrete Weise, um als Redakteur des adventistischen Review zu überleben. 1883 wußte er, daß das Spiel aus war. Obwohl er seine Vorbehalte gegen die Kunstwerke, die Ellen herausbrachte ausgedrückt hatte, schrieb er:
Es scheint, daß die Zeugnisse praktisch gesehen sich in solch einer Form entwickelt zu haben, daß es überhaupt nichts nützen würde, die enormen Ansprüche, die nun für sie aufgeboten werden, zu verteidigen. Jedenfalls fühle ich mich nicht veranlaßt, nach der ungerechten Behandlung, die ich im letzten Jahr erhalten habe, etwas in dieser Richtung zu tun. Wenn all die Brüder willens wären, diese Sache offen und groß angelegt zu untersuchen, glaube ich, daß ein übereinstimmender Grund, auf dem alle stehen könnten, gefunden werden würde. Aber einige mit der Einstellung "entweder Gesetz oder Ruin", sind so dogmatisch und dickköpfig, daß ich annehmen muß, daß jede Bemühung in diese Richtung zu einem Zusammenbruch des ganzen Systems führen würde.15
Es ist interessant, so viele Jahre später zu lesen, daß auf der Bibelkonferenz 1919 die Religionslehrer der Seminare und die Leiter der Gemeinschaft zu fast dem gleichen Ergebnis kamen; aber sie zögerten, etwas zu unternehmen, das den Zusammenbruch eines noch viel größeren Systems herbeiführen würde.16
Wiederum - um zu zeigen, daß in den späten 70er und frühen 80er Jahren des 19. Jahrhunderts sehr wenige gemäßigte Gedanken im Falle Ellen Whites existierten - schrieb Smith am 6. April 1883:
Eifrig wurde den Menschen eingeflößt, daß, wer auch immer die Visionen im geringsten in Frage stellt, sogleich ein hoffnungsloser Abtrünniger und Rebell wird. Es tut mir leid zu sagen, daß zu viele die Charakterstärke besitzen, solch eine Vorstellung abzuschütteln. Daher verlieren sie in dem Moment, in dem etwas geschieht, was ihr Vertrauen an die Visionen erschüttert, den Glauben an alles und fallen der Zerstörung anheim.17
Am 31. Juli desselben Jahres bewies Smith wieder einmal, daß er Ellen nicht gewachsen war:
"Und der Grund ist, daß Schw. White selbst meinen Mund geschlossen hat. In dem besonderen Zeugnis an die B.C. [Battle Creek] Gemeinde, zitiert im Sab. Advocate Extra, (welche Du beide - wie ich annehme - gesehen hast), hat sie mich angeprangert, nicht nur jenes Zeugnis, sondern ALL die Zeugnisse abzulehnen. Wenn ich jetzt sage, daß ich sie nicht abgelehnt habe, zeige ich dadurch aber, daß ich es doch tat - denn ich widerspreche diesem einen. Aber wenn ich sage, daß ich es tat, wird es ihnen guten Dienst leisten, wie es mir erscheint, Vielmehr wird es das aussagen, was ich nicht als wahr angenommen habe. Ihre Attacke auf mich scheint sehr ungebeten und ungerecht zu sein. Sie hat mich ohne einen Grund in eine sehr peinliche Position gedrängt."18
Andere würden ihren Zorn in ihren "Zeugnissen" zu fühlen bekommen und ihr Sieg war so sicher wie der eines alten oder selbstberufenen Medizinmannes. Aber bevor er unterging, versuchte Smith (wie andere vor ihm und lange nach ihm auch) seinen Anlaß und seinen Stolz zu retten, indem er sagte: "Ich muß nun zwischen 'Zeugnis' und 'Vision' unterscheiden."19
Für die meisten war es schmerzhaft zu sehen, sogar vor dem Fall Smiths, daß Ellen die Siegerin war. Lange bevor der Vorhang im Akt "Uriah Smith" fallen würde, war bekannt, daß Ellen beides tat: Sie spielte mit den Instrumenten die Musik und leitete gleichzeitig das Orchester. Andere würden aufstehen, um die Korrektheit der Note anzuzweifeln. Aber sie war für alles zuständig und so sollte es bleiben. Ihre Ansprüche würden mit jedem Jahrzehnt empörender werden. Die Stimmen der Extremen würden schriller werden, ob innerhalb oder außerhalb der Herde — gegen jene, die sie und ihre Schriften nicht als das letzte Wort in fast allem und jedem ansahen.
Die Fanatiker würden nur eine Schlacht im Kampf um die Kontrolle über die Gedanken der Menschen verlieren. Dies geschah, um der wachsenden Kritik in den 40er und 50er Jahren dieses Jahrhunderts entgegenzuwirken, als prominente evangelikale Gruppen nach Washington mit dem Ziel kamen, den Adventismus selbst zu untersuchen. Eine Anzahl von anonymen Leitern gab einen Band heraus, genannt Seventh-day Adventists Answer Questions on Doctrine (D: "Siebenten-Tags-Adventisten beantworten Fragen über Glaubenslehren"/Allgemein bekannt als: Questions on Doctrine). Das Buch war dafür bestimmt, die Gäste zu überzeugen, daß Ellen White nicht die Schutzheilige der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten ist; daß ihre Schriften nicht auf einer Ebene mit den Büchern des Kanons sind; daß ihre Inspiration nicht gleich gestellt wird mit der derjenigen der biblischen Schreiber und daß die Gemeinschaft sie nicht als Auslegerin der Schrift ansieht, sondern genau umgekehrt. All dies wurde sehr klar und kraftvoll in Questions on Doctrine erklärt.20
Es kostete der "radikalen Rechten" fast 25 Jahre Arbeit des Wartens und des Infiltrierens in höhere Positionen, um tosend zurückzuschlagen. 1980 rammte die Generalkonferenz in der Sitzung von Dallas, Texas, einen Stützbalken in das geistliche Podium der Gemeinschaft ein. Dieser sagte allen, die lesen konnten, daß Ford, Brinsmead, Paxton oder alle Australier, Amerikaner oder Jeder, der in Zukunft auftreten werde, zu wählen haben werden zwischen dem Kommen zur Gemeinschaft und dem tatsächlichen Kommen zum Kanon sowie zu Gott selbst, durch die Schriften jenes Kleinstadtmädchens aus Gorham, Maine, — Ellen Gould (Harmon) White.21
Es hatte lange gedauert, aber sie hatte es zu etwas gebracht. Die Extremen, die durchsetzten, daß die Delegierten den Stützbalken annehmen, benutzten diesen fast gleichzeitig als Waffe gegen Ford, den australischen Lehrer, angeklagt wegen seiner Arbeit, seines Rufes und (wie manche dachten und hofften) sogar seines Lebens.
Ford würde verlieren, wie Uriah Smith vor ihm. Hauptsächlich deshalb, weil er einige Werke Ellens retten und die Autorität der meisten anderen verringern wollte. Wie Smith vor ihm wollte er ihre Zeugnisse von ihren Visionen unterscheiden, zumindest in seinem eigenen Denken. Aber seine Ankläger (und alle nachfolgenden Review-Artikel) würden es offenbaren, daß es um alles oder nichts ging - daß die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in der Tat glaubt, wie George Irwin 1911 in seinem Traktat andeutete, Ellen wäre der göttliche, unfehlbare Interpret aller adventistischen Lehren und alles Denkens kanonisiert worden. Die Würfel waren gefallen. Oder in anderen Worten: der Rubikon war überquert und die Brücken niedergebrannt.
Wie auch immer, die Gemeinschaft der STA stand nackt und alleine vor der Welt - wie ein Kult - mit ihrem Glauben, daß Errettung kaum möglich wäre, und daß die Schrift unmöglich ein Führer zu Christus und dem Evangelium sein könne, außer durch Ellen. Eine Bewegung, die mit extremen Anschauungen 1844 begonnen hatte, indem sie die Türe allen anderen - außer sich selbst - verschlossen hatte und wiederum 140 Jahre später den Weg des Extremismus betrat, alle Bemühungen mißachtend, diese geschlossene Tür zu öffnen. Sie schlugen sie wiederum zu (wenn möglich für immer) und erklärten noch einmal, daß sie die Erlösten seien, die Schlüsselträger, das Abbild menschlicher Perfektion. Gottes Volk und alle anderen würden auf ihren Knien die Stufen der Schriften Ellens emporzurutschen haben, wie Luther auf Seiner Reise nach Rom, wenn sie überhaupt daran dächten, den Himmel erreichen zu wollen.
Es kann sein, daß die Geschichte schon beschlossen hat, daß Ellen voraussehende Kraft besaß, nicht nur in der Weise, die andere zu akzeptieren bereit waren. Es ist genauso gut möglich, daß sie in den frühen 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, als der Weg vom größten Teil der rhetorischen Opposition befreit worden war und sie ihre entscheidendste Aufgabe begann, das Arrangieren der Geschichte und deren Ereignisse nach ihren Vorstellungen sowie das erneute Schreiben des Kanons ihrer Vision entsprechend — bereits die Endergebnisse sah, wenn alles so funktionieren sollte. Der Bericht zeigt, daß es für einige klappen sollte - zu gut vielleicht. Die meisten, die so weit gingen, schienen jetzt alleine dazustehen, nur mit Ellen als Trophäe. Vielleicht hatte sie das begrüßt, insofern sie ja in Einsamkeit lebte, oft darüber schrieb und ihren Nachfolgern riet, diese Einsamkeit zu erwarten und sich darauf vorzubereiten.
Nicht *verfügbar* sind die *Protokolle* irgendwelcher Versammlungen oder Treffen, in denen die formellen Pläne für die Produktion des schriftlichen Materials der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts abgeschlossen waren. Vielleicht fanden solche Treffen nicht statt, vielleicht gab es kein rasches Urteil sondern nur eine langsame Entwicklung. Bereits jetzt hatten die Schriften Ellens viele Autoren enthalten, die ihre Darstellung der Vergangenheit und ihre Schau der Ereignisse, die in der Zukunft stattfinden sollten, bestärkt hatten. Die Idee ist am besten in der Einführung zu den vier Bänden ausgedrückt, welche versuchten, diese Aufgabe zu erfüllen.
Vorwort zur neugedruckten Ausgabe
Ellen White gab, während der meisten Zeit ihres lebenslangen Amtes, der Aufgabe eine hohe Priorität, die Geschichte des großen Kampfes zwischen Christus und Satan, der Gemeinschaft und der Welt vorzuhalten. Da war zuerst die sehr kurze Darstellung, fast ein Resümee, herausgegeben in dem kleinen Buch Spiritual Gifts, Band I. Auf seinen 219 Seiten spannt der Band die Geschichte vom "Fall Satans" bis zum "Zweiten Tod" - dem Ende Satans und der Sünde. Bei weniger als 3000 zählenden sabbathaltenden Gläubigen war die Herausgabe dieser Arbeit ein *mutiges* Wagnis der Publikationsarbeit. Band 2 präsentierte 1860 die christlichen Erfahrungen und Ansichten Ellen Whites.
Diesen folgten 1869 Spiritual Gifts Band 3 und 4, die die Geschichte des Alten Testamentes weiter ausführten, die außer in drei kurzen Kapiteln kaum in Band I erwähnt worden war.
Die vierbändige Spirit of Prophecy - Serie, veröffentlicht zwischen 1870 und 1884, lieferte der wachsenden Gemeinschaft eine detaillierte Darstellung der Geschichte des großen Kampfes auf insgesamt 1696 Seiten Text von E. G. White. Diese wurde mit der Zeit durch eine noch weiter ergänzte und die Autorin sehr zufriedenstellende fünfbändige Entscheidungsserie ersetzt. Diese bot dem Leser 3507 Seiten Text, der die Geschichte des großen Kampfes wiedergibt.22
Die Schlüsselworte dieses Vorwortes sind: "Diese wurde mit der Zeit durch eine noch weiter ergänzte und die Autorin sehr zufriedenstellende fünfbändige Entscheidungsserie ersetzt." Die Adventisten des 20. Jahrhunderts hatten im allgemeinen nicht gewußt, daß die Entscheidungsserie eine Erweiterung war. Obwohl Ellens Vorarbeit im Umschreiben der Geschichte und Theologie akzeptiert worden war, hatten sehr wenige vermutet, daß die ersten vier Bände von The Spirit of Prophecy eigentlich nur ein Probelauf für diese Arbeit waren. Wenn die ersten Bücher den Test für ihre Autorin und deren Helfer bestünden, würden diese offensichtlich eine festere und stärkere Grundlage jeder Revision des Denkens sein, zu dessen Zustimmung die Gemeinschaft erzogen werden müßte.
Wenn dieses Vorwort früher als 80 bis 90 Jahre nach dem *Ereignis* geschrieben worden wäre, hätte es möglicherweise dazu beigetragen, einige der Probleme zu klären, die in Ellens Kopierwerk aufzutauchen begannen. Wären all' die Angestellten, die mit ihr arbeiteten, und all jene, die Ähnlichkeiten mit Materialien bemerkten, die in ihrem Besitz entdeckt worden waren, sich einmal bewusst geworden, daß sie sich auf ihren Teller eine große Portion von Material anderer *zutun*, dann wäre das *Bankett*, welches im Namen Gottes gegeben wurde, *möglicherweise* nicht solch ein Picknick gewesen. Aber Ellen stellte nicht das ganze Essen mit einem Mal auf den Tisch, da sonst die *Gäste* mißtrauisch geworden wären.
Die Aussage half außerdem der "White lie" weiter, denn jene wenigen Seiten des "winzigen" Spiritual Gifts konnten keinesfalls als Seiten normaler Größe bezeichnet werden. Im Vergleich mit dem Endprodukt der Entscheidungsserie machten sie nur ein Drittel bis die Hälfte der Größe der späteren Erweiterung aus. Dies bedeutet, daß der letzte Kommentar über das Alte Testament, wie er endgültig in der Entscheidungsserie niedergelegt ist und dem hunderte neuer Ideen und Gedanken hinzugefügt wurden, die nicht in der Heiligen Schrift enthalten sind, seinen Anfang mit 75-90 Seiten an Ideen in der Produktion von 1858 nahm. Später würden diese Erläuterungen aus über 25 Millionen Worten bestehen! Wie diese Erweiterung zustande kam soll nun im übrigen Teil dieser Geschichte berichtet werden.