Die Grundlage für die adventistische Neudeutung der Geschichte und Doktrin wurde mit Patriarchen und Propheten (1890) gelegt, das damit zum Eckstein der adventistischen Theologie und Geologie wurde. Dann sollte Das Leben Jesu (1898) zum Schlussstein im Torbogen der adventistischen neutestamentlichen Christologie werden. Danach wurde das größte Täuschungs- und Trugspiel – ähnlich dem Spiel, bei dem unter einem von drei gleich aussehenden Bechern eine Kugel liegt und durch schnelles Vertauschen der Zuschauer so verwirrt wird, dass er am Ende nicht mehr den Becher mit der Kugel darunter zu erkennen vermag – in Szene gesetzt. Dies geschah mit Hilfe des Buches Das Wirken der Apostel (1911), einem Nebenprodukt von Sketches from the Life of Paul (1883) und dem früheren Spirit of Prophecy (Band 3, 1878). Diese Werke stehen gewissermaßen als Denkmal für die Torheit der „white lie“.
Viele Adventisten haben etwas von dem Konflikt über Sketches from the Life of Paul gehört. Das Buch war 1883 veröffentlicht worden und wurde der Gemeinschaft und der Öffentlichkeit als die größte Quelle inspirierter Informationen über das Leben des Paulus vorgestellt, seitdem die Apostelgeschichte von Lukas geschrieben wurde. Das Vorwort gab den Ton an:
Die Verfasserin dieses Buches ist in der Lage, die Lehren des Paulus und deren Anwendung für die heutige Zeit so zu beleuchten, wie es kein anderer Autor tun kann, da sie besondere Hilfe des Geistes Gottes dazu erhalten hat. Sie hat sich hierbei nicht durch die Erörterung von Theorien ablenken lassen oder sich Spekulationen hingegeben. Es werden keine Unwesentlichkeiten zur Sprache gebracht. Deshalb haben Aussagen aus anderen Büchern, wenn auch für den Wissbegierigen interessant und von gewissem Wert, und doch nach allem nur ein wenig Theorie, in diesem Werk keinen Platz gefunden.1
Dieser rasche Gang durch die sechzig oder mehr Lebensjahre des Paulus sollte ganz klar an den Untiefen menschlicher Spekulation vorbeiführen, an denen andere Autoren vor Ellen gestrandet waren. In späteren Jahren wurde behauptet, sie habe die Vorworte zu ihren Büchern und oftmals auch die Einleitungen nicht selbst geschrieben. Dies mag sein; aber wenn es so gewesen ist, dann zerstört es das Argument, dass sie immer die Kontrolle darüber hatte und das fertige Produkt überwachte. Entweder hatte Ellen diese Aussage unterzeichnet oder nicht; wie dem auch sei, die Behauptung ist relevant für die Untersuchung dessen, was nach der Veröffentlichung geschah.
Das Buch hatte fast von Anfang an Schwierigkeiten, innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft. Francis D. Nichol, Ellens späterer Verteidiger, tat sein Bestes, um Gerüchte der Vergangenheit zu beschwichtigen und im Voraus jede neue Kritik an der Prophetin zu verhindern2. Um ihm die Anerkennung zu geben, die ihm zusteht: Er versuchte vielleicht, etwas zu retten, was nicht zu retten war. Von Beginn an hatte er Schwierigkeiten mit seiner Aufgabe; einige Gelehrte betrachteten seine Verteidigung als unzulänglich und ungenau3. Tatsächlich haben einige vorgeschlagen, dass Arthur Whites Name als Mitarbeiter hätte aufgenommen werden sollen. Nichols Buch Ellen G. White and Her Critics wurde geschrieben, um die Legende der heiligen Ellen fortzuführen, indem die Tatsachen so neu geordnet wurden, dass geleugnet werden konnte, Ellen wäre in ihrem Schrifttum je etwas anderes als völlig ethisch gewesen.
Nichol habe nicht alle wesentlichen Dokumente veröffentlicht, die sich in seinem Besitz befanden. Er kannte die verheerende Evidenz des Briefes von Mrs. White an Bates (1847) — betreffend die "geschlossene Tür" — doch er sagte nichts davon.4
Wenn diese Information zutrifft, welche Objektivität konnte Nichol den Ideen verleihen, die er zu Sketches from the Life of Paul vorbrachte? Ob es eine angedrohte Klage gab oder nicht — das Buch wurde zurückgezogen, und jede Seite gab verschiedene Gründe für diesen Rückzug. Das Werk war nicht wieder erhältlich, bis 91 Jahre später eine Faksimile-Ausgabe veröffentlicht wurde.
Der große Schlag des kleinen Buches kann einfach erzählt werden. Die Methode des Schreibens erfolgte nach dem bekannten Muster, und es besteht kein Zweifel, dass das Material aus anderen Quellen übernommen worden war. Es gab Beschwerden darüber, dass Sketches sich zum größten Teil wie The Life and Epistles of St. Paul von W. J. Conybeare und J. S. Howson anhörte. Obwohl die Ähnlichkeiten zu jener Zeit bestritten wurden, zeigte eine spätere Untersuchung, dass die Kritik begründet war. Ein teilweiser Vergleich wurde benutzt, um die Tatsache der Abhängigkeit zu mindern.
Eine Studie von H. O. Olson5 in den frühen 1940er-Jahren bildete die Grundlage für das Material in Nichols Buch, das Ellen verteidigte. Olson fertigte Seiten um Seiten von Vergleichen an, beschränkte sich jedoch nur auf direkte Zitate oder ähnliche Wörter. Die Wahrheit ist, dass Ellen von Anfang bis Ende Material anderer Autoren verwendet hatte – mit nur wenigen Auslassungen. Neuere Vergleiche zeigen, dass die Wiedergabe aus dem Buch von Conybeare und Howson deutlich die Struktur, den Wortlaut, die Absätze und sogar die Seitenfolge widerspiegelt – wobei Gott, in vielen Fällen, kaum Gelegenheit hatte, ein Wort mitzureden6. Selbst Ellens Sprachfärbung und Wortwahl sind in manchen Kapiteln erkennbar.
Trotz des Hin- und Her-Spiels um die Entstehung des Buches, trotz der bekannten Kritik und nach Ablauf von neunzig Jahren wurde die Faksimile-Neuausgabe 1974 ohne Änderungen oder Eingeständnisse veröffentlicht. Die Treuhänder des White Estate hoben im neuen Vorwort der Faksimileausgabe noch immer den Wert des Buches hervor – als ob sie in den vergangenen hundert Jahren keine Lektion gelernt hätten:
Ein Leser stellte schon früh fest, dass in den zweiunddreißig Kapiteln „viele Punkte enthalten waren, die im Neuen Testament nicht erwähnt werden“ – mehr als 750 an der Zahl. George I. Butler, Präsident der Generalkonferenz, schrieb ergriffen im Review and Herald vom 24. Juli 1883, nachdem er das Buch gelesen hatte:
„Es sind Passagen vorhanden, die unsere Herzen tief bewegten und Tränen in unsere Augen kommen ließen. Wir beendeten seine Seiten mit wachsender Bewunderung über den Charakter und das Leben dieses treuen Apostels und mit einer klaren Empfindung für die Stärke der Religion unseres Herrn und Heilands, die hilft und die Schwachen adelt, die gefallene Menschheit.“ – Review and Herald, 24. Juli 1883.7
Für eine Gemeinschaft, die der Öffentlichkeit stets gesagt hat, dass nichts dem Kanon hinzugefügt werden solle, waren 750 neue Zusätze in einem Buch von Ellen White durchaus beeindruckend.
H. O. Olsons Eingeständnis, dass sie Material anderer kopiert hatte, war verständlich. Doch als einer der Eingeweihten verfügte er über zusätzliche interne Informationen, die Nichol in seinem Buch nicht verwendete. Olson hatte auch eine Studie über einen anderen Autor erstellt, den Ellen und ihre Gruppe hilfreich fanden, dem sie jedoch – wie üblich – keine Anerkennung gaben. Dieses Dokument trug den gewichtigen Titel: “Comparisons between The Life and Works of Paul by Farrar and Sketches from the Life of Paul by Mrs. E. G. White, to ascertain if the latter is dependent on the former.” („Vergleich von ‚Das Leben und die Werke des Paulus‘ von Farrar und ‚Skizzen aus dem Leben des Paulus‘ von Frau E. G. White, um festzustellen, ob letzteres vom ersteren abhängig ist.“) Diese Studie weckte Hoffnungen. Die Vergleiche wurden auf Anfrage im Gemeindefeld verbreitet, doch die erste Seite fehlte gewöhnlich. Diese Seite lautete:
„Es wurde kein sorgfältiges Lesen und Vergleichen zwischen The Life and Works of Paul von Farrar und Sketches from the Life of Paul von Mrs. E. G. White vorgenommen, wie es im Fall des Letzteren und Life and Epistles of the Apostle Paul von Conybeare und Howson geschah; aber ein Tag wurde aufgewendet, um festzustellen, ob irgendein Teil des Buches von Mrs. White auf Farrars Werk basiert. Ich habe besonders die Abschnitte von Sketches from the Life of Paul verglichen, die keine Zitate aus Life and Epistles of the Apostle Paul enthalten.“8
Ohne Rücksicht auf alle Lehren der Vergangenheit und getreu einem unsichtbaren Muster schränkte sich Olson weiterhin selbst ein – wie andere nach ihm. Offenbar wollte niemand die gestohlene Ware in Ellen Whites Leihhaus wahrnehmen, denn zukünftige Forscher scheinen Olson nachgeeifert zu haben, als er auf der ersten Seite seines Dokuments schrieb:
„Im Kapitel des ersten Bandes von Farrars Werk, das sich mit der Arbeit in Korinth befasst, fand ich zwei Passagen, aus denen wahrscheinlich jeweils drei und fünf Worte zitiert wurden; und in dem Abschnitt des zweiten Bandes, der Nero behandelt, fand ich vier Passagen mit insgesamt hundertfünf Wörtern, alle im gleichen Wortlaut wie in dem entsprechenden Abschnitt in Ellen Whites Buch.“ [Hervorhebung hinzugefügt.]9
Immer wieder beeilten sich jene, die im Plan des Kirchenklans eingebunden waren, Entscheidungen zu fällen, um Ellen zu retten. Sie verschlossen die Augen vor den Paraphrasen oder freien Anpassungen des Materials anderer Autoren. So trugen sie dazu bei, die Notlüge – die „white lie“ – am Leben zu erhalten.
Es gab jedoch Zeitgenossen von Ellen, die sahen, was vor sich ging, wenn Ellen und ihre Gruppe das Öl der Mitternachtslampe bis in die frühen Morgenstunden brennen ließen.10 Arthur G. Daniells, Präsident der Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten von 1901 bis 1922, wurde gebeten, jene „Nordlichter“ zu erklären, die häufig mit fremdem Material erhellt wurden. Er gab eine gewisse Rechtfertigung zu diesem Problem während der Bibelkonferenz von 1919, bei der man versuchte, Ellens Schriften einzuordnen. Wie viele der Mitglieder des inneren Kreises, die weiterhin für das System arbeiten wollten, wählte er in seiner Erklärung einen vorsichtigen Ton:
„Ja – und nun nehmt dieses Buch Life of Paul – ich nehme an, ihr alle kennt es – sowie die Anschuldigungen, die dagegen erhoben wurden – Plagiatsvorwürfe, sogar von den Autoren Conybeare und Howson. Sie behaupteten, die Gemeinschaft könne wegen der großen übernommenen Textmenge in The Life of Paul Schwierigkeiten bekommen, weil keinerlei Quellenangaben oder Anführungszeichen gesetzt worden seien. Einige Menschen mit strikter Logik könnten daraus übermäßige Schlüsse ziehen, aber ich bin nicht dieser Art. Ich fand den Vergleich, und ich las das Buch mit Bruder Palmer, als er darauf aufmerksam wurde. Wir nahmen das Werk von Conybeare und Howson, auch Wylies History of the Reformation, und wir lasen Wort für Wort, Seite für Seite, und fanden weder Zitate noch Quellenangaben. Ich bemerkte keinen Unterschied, bis wir sie miteinander verglichen. Ich vermutete, dass es Schwester Whites eigene Arbeit war. Die arme Schwester sagte: ‘Warum, ich wusste nichts über Zitate und Quellenangaben. Meine Sekretärin hätte darauf achten sollen, und der Verlag hätte sich darum kümmern sollen.’“ [Hervorhebung hinzugefügt.]11
Ellen muss ihre Lektion gut von Eva gelernt haben, die alle Schuld der Schlange zuschrieb. Es ist schwer zu glauben – und das noch im Jahr 1883 – dass Ellen bei ihrer Planung oder Neufassung der Geschichte und Theologie anderer Autoren die moralischen und ethischen Unterschiede in so heiklen Fragen nicht erkannt haben sollte, wenn, nach eigener Aussage, Gott an ihrer Seite war, als sie tat, was sie tat. Wenn, wie Ellen behauptete, Gott ihr wiederholt Informationen über die „schmutzige Wäsche“ der Gemeindeglieder offenbarte, dann muss er ihr sicher auch Hinweise zum Angeben von Quellen gegeben haben, wenn sie fremdes Material verwendete.
Die meisten späteren Bücher und Materialien von Ellen entstanden, nachdem sie auf das Problem mit Sketches from the Life of Paul hingewiesen worden war und nach der bereits erwähnten „Unwissenheits-Erklärung“. Es ist verblüffend, dass weder sie noch ihre Helfer noch die Kirche selbst bis zur Ausgabe von 1888 des Buches Der große Kampf auch nur einen Funken Anerkennung gewährten. Selbst dann geschah es so beiläufig, dass es in der 1911-Ausgabe verbessert werden musste.
Daniells gefiel nicht, was er sah. Aber als guter Politiker hatte er gelernt, zu schweigen. 1919 machte er folgende ehrliche Äußerung:
„Hier sah ich die Offenbarung des Menschlichen in diesen Schriften. Natürlich hätte ich dies sagen können – und ich habe es auch gesagt – dass ich mir gewünscht hätte, die Zusammenstellung dieses Buches wäre mit einem anderen Ziel erfolgt. Wenn die nötige Sorgfalt angewandt worden wäre, hätte das viele Menschen davon abgehalten, vom rechten Weg abzukommen.“ [Hervorhebung hinzugefügt.]12
Aber die nötige Sorgfalt wurde nicht geübt. Tatsächlich wurden die Behauptungen über Ellen und ihre Schriften noch weiter ausgedehnt und extremer – und bis heute werden Menschen dadurch „vom rechten Weg“ abgebracht.
Daniells hatte jedoch weit mehr Schwierigkeiten als nur mit Sketches from the Life of Paul. Auf derselben Bibelkonferenz von 1919 musste er den Anwesenden – die meisten von ihnen plagten sich mit Fragen zu Ellens Unfehlbarkeit und Plagiatsvorwürfen – sagen, dass er auch in anderen Büchern Probleme festgestellt hatte:
„In Australien sah ich, wie Das Leben Jesu vorbereitet wurde – ich sah, wie Kapitel wieder und wieder umgeschrieben wurden. Ich sah das, und als ich mit Schwester Davis darüber sprach, sage ich euch, ich musste die Sache in den rechten Blickwinkel rücken und Ordnung in dieses Thema über den Geist der Weissagung bringen. Wenn diese falschen Positionen nie eingenommen worden wären, wäre die Lage weitaus einfacher, als sie es heute ist. Alles, was als Plagiat bezeichnet wurde, wäre vereinfacht worden, und ich glaube, Menschen wären für die Sache gewonnen worden, wenn wir das von Anfang an richtig verstanden hätten. Mit diesen falschen Ansichten stehen wir nun vor Schwierigkeiten, die kaum zu beheben sind. Wir werden diese Schwierigkeiten nicht lösen, indem wir uns auf falsche Behauptungen stützen.“ [Hervorhebung hinzugefügt.]13
Daniells sprach nicht von „wörtlicher Inspiration“, wie einige Menschen glauben machen wollten. Er wusste, wie andere vor ihm, dass manche um Ellen herum redaktionelle Freiheiten genutzt und eigene Gedanken eingeflochten hatten. Ellen war nicht immer Herr der Lage. Daniells hatte gesehen, wie sie die Zügel verlor und mit der Zeit weniger Einfluss und Kontrolle ausübte. Er berichtete über seine Sorge:
„Ich besuchte sie einmal wegen der Sache des ‘Täglichen’ und hatte das alte Schaubild bei mir. Ich legte es auf ihren Schoß, nahm ihr Buch Early Writings und las ihr daraus vor. Dann sprach ich über die Gegensätze. Ich verbrachte viel Zeit mit ihr – es war einer ihrer guten Tage, sie war fröhlich und ausgeruht – also erklärte ich es ihr ausführlich. Ich sagte: ‘Du sagst hier, dass dir gezeigt wurde, die Ansicht, die die Brüder über das “Tägliche” hatten, sei korrekt. Nun, sagte ich, es gibt aber zwei Teile in diesem “Täglichen”: die Zeitperiode von 2300 Jahren, und das, was das “Tägliche” selbst bedeutet.’“
„Ich ging das mit ihr durch, und jedes Mal, wenn ich zu diesem Punkt kam, sagte sie: ‘Nun, ich weiß, was mir gezeigt wurde – dass diese Zeitperiode festgelegt war und dass keine bestimmte Zeit nach dieser folgen würde. Die Brüder hatten recht, als sie auf 1844 kamen.’“
„Ich ließ diesen Punkt beiseite und fuhr fort mit dem ‘Täglichen’. ‘Warum’, sagte sie, ‘Bruder Daniells, ich weiß nicht, was dieses “Tägliche” ist, ob es das Heidentum oder der Dienst Christi ist. Das ist etwas, was mir nicht gezeigt wurde.’ Und sie geriet sogleich wieder in dieses Zwielicht Zone eintreten.“14
Es gibt einige, die glauben, Daniells habe sich selbst ins Feuer gestellt, indem er versuchte, die Situation zu verteidigen, bis er 1922 von den treuen Gläubigen — zum Teil wegen der Gerüchte über seinen angeblichen Mangel an Glauben in Ellen und ihr Schrifttum — von seiner Position entfernt wurde.15 Dies mag oder mag nicht eine korrekte Darstellung der Geschehnisse sein. Nichtsdestotrotz wurden jene, die Ellen am besten kannten, ihr in dieser realen Welt am nächsten standen, oft geschulmeistert, wenn sie ihr in ihrem Schrifttum in eine unwirkliche Welt nicht folgen konnten, wo ihre Fiktion als Tatsache angesehen wurde und ihre Fantasie als Wahrheit. Ellen forderte nicht, daß alle das sehen sollten, was sie sah; aber es war notwendig, daß sie glaubten, daß sie das sah, wovon sie berichtete, daß sie es sah.
Aber der unermeßlich wichtigere Teil ihres Fingerspiels war, daß niemand dahinterkommen sollte, wo sie das sah, von dem sie sagte, daß sie es sah. Der wahre Trick bestand darin, den Einzelnen wie auch die Gemeinschaft davon zu überzeugen, daß die Handelsware, die sie verkaufte, hauptsächlich neu und aus erster Hand war. Mit Ellens Hilfe verkaufte die Gemeinschaft diese „white lie“ an sich selbst und an alle anderen, die zum Kauf bereit waren – und sie hat den Verkauf bis zum heutigen Tag aufrechterhalten. Die Freigabe von neuem Material in alarmierendem Ausmaß zeigt, daß diese Handelsware im wesentlichen aus zweiter oder sogar dritter Hand war und ist. Ellen ist eher in der Position, zu einem beachtlichen Grade eine Zusammenträgerin des Materials von anderen zu sein, als eine Autorin oder Herstellerin neuer und göttlicher Güter.
Im Lichte des Materials der Bibelkonferenz von 1919, das erst in den vergangenen Jahren freigegeben wurde — nicht mit Wohlwollen des White Estate, sondern von privater Seite -— wäre es tollkühn darüber zu streiten und zu diskutieren, wie es einige tun, daß niemand wußte, was in Ellen Whites Studierzimmer vorgegangen ist; denn wenn sie davon gewußt hätten, dann hätten sie anderen davon erzählt.
Tatsächlich gab es Leute, die davon erzählten. Aber jene, die darüber sprachen, sind für ihre Bemühungen nicht belohnt worden: Stewart, Sadler, die Kelloggs, Ballinger, Canright, Colcord, Smith und Daniells sind unter ihnen. Später kamen noch Ellens Assistenten dazu: Fannie Bolton, die Nichte Mary Clough und sogar ihre zuverlässigste Mitarbeiterin Marian Davis, die alle als besorgt und nervös über ihre Verwicklung in Ellens Kopierarbeit offenbar geworden sind. Später würden wir noch davon hören, daß die Sorgen von Lacy, Prescott und anderen ebenfalls ignoriert worden sind und ihre Fragen zurückblieben, um die heutigen fragenden Sinne in Verlegenheit zu bringen und in Versuchung zu führen.
Einige dieser Personen – vor allem jene, die es wagten, ihre Zweifel offen auszusprechen – wurden als Feinde der Gemeinschaft betrachtet. Man beschuldigte sie, den Geist der Weissagung zu bekämpfen oder den Glauben der Gläubigen zu untergraben. Doch in Wahrheit suchten sie nur nach Aufrichtigkeit. Stewart, Sadler und Canright wurden verurteilt, weil sie Fragen stellten, die andere zu fürchten wagten. Fannie Bolton wurde öffentlich getadelt und schließlich entlassen, weil sie über die Art sprach, wie Ellen White ihre Schriften zusammenstellte. Marian Davis, die treueste Mitarbeiterin, lebte in innerem Konflikt zwischen Loyalität und Gewissen. Ihre Sorge war nicht Bosheit, sondern das Ringen eines ehrlichen Herzens, das nicht verstehen konnte, warum die Wahrheit verborgen werden mußte.17
Einer nach dem anderen wurden alle in Gleichklang gebracht, und zwar durch eine „Rüge“, durch ein „Zeugnis“, einen Rat und eine Gegenüberstellung — und ihr Zeugnis wurde minimiert.16 Wie Uriah Smith lange zuvor herausgefunden hatte, zahlte es sich nicht aus, zu lange in Ellens Leihhaus herumzustöbern und die Etiketten ihrer Ware durchzusehen, ob sie aus erster oder aus zweiter Hand stammten. Einige, die Fragen stellten, wurden zum Schweigen gebracht, wurden von einer Stelle zur anderen versetzt oder schieden aus, da sie sich für Gott und sein Werk als ungeeignet erwiesen. Ellen und ihre „wahren Gläubigen“, die Träger der Schlüsselgewalt, die 1844 die Idee der geschlossenen Tür erfanden, bemühten sich, diese für alle verschlossen zu halten, außer für diejenigen, die schworen, daß sie glaubten, Ellen — und nur Ellen allein — hätte vorher gesehen, was sie sah, und niemand, aber auch niemand anders hätte dies je wirklich gesehen. Sie würde bestätigen, daß sie Miltons Paradise Lost weder gesehen noch gelesen hatte.17
„Ich weiß, daß das Licht, das ich empfangen habe, von Gott kommt und mir nicht von Menschen gelehrt wurde.18 Ich habe keine Bücher über Gesundheitsfragen gelesen, ehe ich Spiritual Gifts geschrieben hatte.19
Meine Ansichten wurden unabhängig von den Büchern oder von den Meinungen anderer geschrieben.“20
Ellen kam nie dazu, menschliche Einflüsse in ihrem Schrifttum anzuerkennen. Denen, die die Dinge anders sahen, wurde nie erlaubt, ihr Eingeständnis zu dem zu geben, was sie wußten oder sahen — die Grundlage einer Veränderung zum Besseren. An der Legende mußte festgehalten werden, daß Gott und Ellen sich so nahe waren, daß nichts dazwischenkommen konnte. Und Ellen White half, diese Legende zu begünstigen und fortzuerhalten. Jene, die besorgt die Stimme darüber erhoben, was sie sahen, wurden als „weich“ betrachtet und dementsprechend behandelt. Die Liste derer, die Gottes Mißfallen durch die Feder Ellens auf sich luden, ist lang.21
Auch heute werden Anstrengungen unternommen, Lehrer und Leiter der örtlichen Gemeinden durch Eid davon abzuhalten, Zurückhaltung über Ellen und ihr Schrifttum auszusprechen. Ein Beispiel dieser Art von Schwur, der an Glieder einer Gemeinde am 3. Oktober 1980 verschickt wurde, lautete wie folgt:
Dieser Brief wurde vom Ausschuss der Ältesten der Gemeinde in Aurora für den Versand an alle Gemeindeglieder empfohlen. Bitte lest ihn sorgfältig.
Liebe Gemeindeglieder!
Die Aurora-Gemeinde ist ein Mitglied der Schwesterngemeinden in der Colorado-Vereinigung der Siebenten-Tags-Adventisten. Sie wurde organisiert, um das Evangelium zu predigen und die Lehren der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten aufrechtzuerhalten. Die Gemeinde wird in der Bibel gewarnt, auf Individuen und Lehren achtzugeben, die aufkommen, um die Einigkeit zu sprengen oder Glieder von den Glaubensgrundsätzen der Gemeinde abzubringen.
Die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten hat kein Glaubensbekenntnis, aber sie hat eine Aufstellung von Glaubensgrundsätzen, die sie sich als Basis für ihre Existenz zu eigen gemacht hat. Diese Aufstellung ihrer Glaubensgrundsätze ist in der kürzlich abgehaltenen Generalkonferenz (1980) nochmals bestätigt worden. Vor kurzem haben die Leiter und die Gelehrten eine Consensus Statement (einen einheitlichen Beschluss) angenommen, das eine starke Unterstützung der offiziellen Haltung der Gemeinschaft einnimmt, in Bezug auf die Lehren hinsichtlich des Heiligtums und des prophetischen Dienstes von Ellen G. White.
Um die Einheit zu erhalten und die Ordnung zu wahren, muss die Aurora-Gemeinde alle, die in Positionen der Leitung und des Lehramtes sind, auffordern, sich zu den fundamentalen Glaubensgrundsätzen der Siebenten-Tags-Adventisten zu bekennen. Wenn ein Lehrer oder Leiter dies zu dieser Zeit aus Gewissensgründen nicht tun kann, bitten wir ihn, dass er freiwillig von seinem Amt zurücktritt. Wir bitten dies im Geist der Liebe und glauben, dass dies die christliche Antwort einer Person sein wird, die sich nicht im Einklang mit der Lehre der Gemeinde fühlt.
Wir anerkennen, dass Gott gewissen Individuen bestimmte Gaben gegeben hat, und wir versuchen, diese Gaben zur Ehre Gottes zu verwenden. Wir hoffen, dass alle unsere Leiter und Lehrer ihre Loyalität zur Gemeinde und deren Lehren eingestehen und mit der Ausübung ihrer Pflichten fortfahren werden.
17. Die Gabe der Weissagung
Eine Gabe des Heiligen Geistes ist die Weissagung. Diese Gabe ist ein Kennzeichen der Gemeinde der Übrigen und wurde im Dienst von Ellen G. White offenbar. Als Botin des Herrn ist ihr Schrifttum eine fortlaufende und autoritative Quelle der Wahrheit und vermittelt der Gemeinde Trost, Führung, Belehrung und Berichtigung. Sie macht auch klar, dass die Bibel der Maßstab ist, an dem alle Lehre und Erfahrung geprüft werden müssen. 22
Dieser Brief zeigt vielleicht mehr als jedes andere Dokument, wie notwendig es war und weiterhin noch ist, dass die Gemeinschaft Zwang und Druck ausüben muss, um Ellens Stellung in der Gemeinschaft zu erhalten. Er macht ebenso klar, dass der adventistische Himmel ein Ellen-G.-White-Himmel ist und dass jene, die dorthin möchten, ihre Fahrkarte mit den geheiligten Genehmigungen der Gemeinschaft kaufen müssen; diese ist in Ellens Leihhaus erhältlich.
Bisher wurde noch kein einziges Mal, auch nicht im Interesse der Fairness oder Ehrlichkeit, irgendjemandem Anerkennung für seine Arbeit an Schrifttum gegeben, das die Gemeinschaft jetzt als „Geist der Weissagung“ vertreibt. Die Handwerker wurden manchmal erwähnt, aber Einflüsse von außen wurden immer geleugnet. Die einzige Aussage von Wert, auf die die Gemeinschaft jemals hingewiesen hat, war jene, die in die Einleitung der revidierten Ausgabe von Der große Kampf von 1888 und später in die Ausgabe von 1911 aufgenommen wurde. John Harvey Kellogg scheint die richtige Antwort zu diesem Akt gehabt zu haben, als er sagte:
Sie begannen geradewegs mit dem Verkauf, aber sie änderten das Vorwort in der nächsten Auflage (1888), um sich ein kleines Schlupfloch zum Herausschleichen zu lassen. Sie gaben einen kleinen Hinweis darin, in eher schwacher und versteckter Art und Weise, dass der Autor seinen Nutzen aus Informationen bezog, die sowohl von irgendwelchen Quellen als auch von göttlicher Inspiration stammten. Das ist meine Erinnerung. Ich erinnere mich, die Korrektur gesehen zu haben, und sie gefielen mir gar nicht. Ich sagte: „Das ist nur ein Schlupfloch, das hineingebracht wurde, damit der einfache Leser es überhaupt nicht entdecken kann, aber die wichtigen Aussagen dort als besondere Inspiration versteht; hiermit werden sie zum Narren gemacht.“24
So wie sich diese Geschichte Jahr für Jahr, Jahrzehnt nach Jahrzehnt enthüllt, wurden mehr und mehr Leiter der Gemeinschaft, persönliche Freunde, Assistenten und andere durch die Fechtkunst eingefangen, die Ellen und ihre Gruppe ausübten. Wenn aber jene vorwärts schritten, um Zeugnis abzulegen von dem, was sie sahen, oder Fragen stellten über das, was sie nicht verstanden, wurden sie außer Gefecht gesetzt.
Fannie Bolton, eine der redaktionellen Assistentinnen von Ellen, war ein solcher Fall. Sie wurde wegen ihres anerkannten Talents angestellt. Aber einige Male, vom Gewissen geplagt wegen dem, was sie sah und wozu sie beauftragt worden war, wandte sie sich an Persönlichkeiten, um ihre Geschichte zu erzählen und eine Antwort auf das zu bekommen, was ihrem Gefühl nach nicht richtig war. Eine dieser Personen, die sie aufsuchte, war Merritt G. Kellogg, und er schreibt über diese Erfahrung:
Fanny sagte: „Dr. Kellogg, ich bin in großer Bedrängnis. Ich komme zu dir, um Rat zu suchen, denn ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe Elder Starr [George B.] erzählt, was ich dir jetzt sagen werde, aber er gibt mir keinen zufriedenstellenden Rat. Du weißt“, sagte Fanny, „dass ich die ganze Zeit für Schwester White schreibe. Das meiste von dem, was ich schreibe, wird im Review and Herald veröffentlicht, als ob es aus der Feder von Schwester White käme, und wird so herausgegeben, als wäre es von Schwester White unter der Inspiration Gottes geschrieben. Ich möchte dir sagen, dass ich darüber sehr bedrückt bin, denn ich fühle, dass ich dabei eine betrügerische Rolle spiele. Das Volk wird durch die Inspiration dessen, was ich schreibe, getäuscht. Ich fühle, dass es ein großes Unrecht ist, wenn alles, was ich schreibe, unter Schwester Whites Namen herausgegeben wird als ein Artikel, der von Gott besonders inspiriert wurde. Was ich schreibe, sollte unter meinem eigenen Namen veröffentlicht werden, denn Ehre sollte dem gegeben werden, dem die Ehre gebührt.“
Ich gab Fräulein Bolton meinen besten Rat und bat kurz darauf Schwester White, mir die Situation zu erklären. Ich erzählte ihr genau, was Fanny mir gesagt hatte. Frau White fragte mich, ob Fanny mir das gesagt habe, was ich gerade wiederholt hatte. Ich bestätigte ihr das, und sie erwiderte: „Elder Starr“, sagte sie, „ist mit derselben Sache zu mir gekommen.“ Etwas erhitzt sagte Schwester White: „Nun, Fanny Bolton soll nie mehr eine weitere Zeile für mich schreiben. Sie kann mir schaden wie keine andere Person.“ Einige Tage später wurde Fräulein Bolton nach Amerika zurückgeschickt. Von diesem Tag bis heute habe ich meine Augen offen gehalten. — M. G. Kellogg.25
Das White Estate liebt es publik zu machen, dass Beweise vorhanden sind, die andeuten, Fannie Bolton sei emotional unbeständig gewesen. Warum sollte sie es auch nicht gewesen sein, wenn man den Einfluss und den Druck berücksichtigt, der auf sie ausgeübt wurde? Einiges findet sich in ihrem späteren „Geständnis“ wieder. In Ellens System der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurde man nicht geradeheraus entlassen, ohne dass Gott aktiv im Personalbüro mithalf. Elder Starr berichtet, wie solche Trennungen zustande kamen:
Ich zog mich dann in mein Zimmer zurück und betete ernsthaft über diese Sache und bat den Herrn um weitere Klarheit, um einen Hinweis zu bekommen, wie die wahre Wurzel dieser Schwierigkeiten zu erkennen sei. Beim Verlassen des Raumes kam ich an Schwester Whites Tür vorbei, und sie stand offen. Sie sah mich, rief mich hinein und sagte: „Ich bin in Schwierigkeiten, Bruder Starr, und ich möchte mit dir reden.“
Ich fragte sie, worin ihre Schwierigkeiten bestünden, und sie antwortete: „Keine Schreiberei, Fanny Bolton“ — nur vier Worte. Ich fragte sie dann, was ihre Schwierigkeit mit Fanny Bolton und ihren Schriften wäre. Sie sagte: „Ich will dir von einer Vision erzählen, die ich gegen zwei Uhr heute Morgen hatte. Ich war so wach, wie ich jetzt bin, und es erschien ein Wagen aus Gold mit Pferden aus Silber über mir, und Jesus, in königlicher Majestät, saß in dem Wagen. Ich war sehr beeindruckt von der Herrlichkeit dieser Vision und bat meinen begleitenden Engel, die Vision nicht vergehen zu lassen, bis ich meine ganze Familie geweckt hätte. Er sagte: ‚Rufe nicht die Familie. Sie können das, was du siehst, nicht sehen. Höre auf meine Botschaft.‘ Dann kamen die Worte, von dem Wagen über die Wolken herabgerollt, von den Lippen Jesu: ‚Fanny Bolton ist dein Widersacher! Fanny Bolton ist dein Widersacher!‘ Dies wurde dreimal wiederholt. Nun“, sagte Schwester White, „ich hatte dieselbe Vision vor ungefähr sieben Jahren, als meine Nichte Mary Clough für mich schrieb. [Sie sagte:] ‚Tante Ellen gibt mir ihr Geschriebenes in Rohform, und ich poliere es auf, bekomme aber keine Anerkennung dafür. Alles wird unter dem Namen Ellen G. White veröffentlicht.‘“26
Kein moderner Streikender hätte weniger Chancen gehabt, da Gott im Personalbüro die Verhandlungen führte. (Augenscheinlich waren diese Verhandlungen auf höchster Ebene, die nicht einmal untergeordneten Engeln anvertraut werden konnten.) Auf jeden Fall war es in jenen Tagen nicht anders als heute: Wenn der Schiedsrichter sagt, du bist draußen — dann bist du draußen!
Eine der interessanten Nebenwirkungen dieser Affäre scheint die von Mary Clough zu sein, Ellens Nichte. Sie ist oft für ihre Arbeit gelobt worden, als sie mit Ellen zusammen war. Ellen berichtet über sie:
Mary ist eine gute Hilfe. Ich schätze sie.27 Sie kommt mit meinen Manuskripten gut zurecht.28 Ich schätze Mary jeden Tag mehr und mehr.29 Mary ist ständig hinter mir her. Sie ist so begeistert über einige Themen, dass sie die Manuskripte nach dem Abkopieren zu mir bringt und sie mir vorliest. Heute zeigte sie mir einen dicken Stapel von Manuskripten, die sie vorbereitet hatte. Sie betrachtete es mit Stolz.30
Aber wie Fannie war Mary später auch in Ungnade gefallen und bekam den Laufpass — wiederum mit Gottes Hilfe. Das zeigt, dass sogar in jenen Tagen, wenn du tüchtig bist, du Anerkennung findest; aber wenn du dich abkühlst (das heißt, wenn du zu viel von dem siehst, was Ellen gesehen hat und wo sie es gesehen hat), dann bist du draußen.
Trotz aller Beobachtungen über Ellens Kopierarbeit, die heute in Washington, D.C., über das „rote Telefon“ eingehen, war und ist die offizielle Haltung, dass — selbst wenn herausgefunden würde, dass Ellen alles von Conybeare und Howson kopiert hat — sie bei der Rekonstruktion in ihren eigenen Worten mit Gottes Hilfe nicht beeinflusst gewesen sei. Noch 1959 war ihr Enkel Arthur mit einer Reihe von Artikeln bemüht, das Gelübde für seine Großmutter zu erneuern:
Als die Jahre fortschritten, verschoben sich die Anschuldigungen gegen Frau White darauf, dass sie in den Botschaften, die sie hervorbrachte, beeinflusst worden wäre. Einige brachten vor, dass ihre Botschaften die Meinungen und Ansichten ihrer Mitarbeiter wiedergaben. Sie sagten, es wäre keine Überraschung, wenn einige von Frau Whites Botschaften die Meinungen anderer reflektieren würden, da sie von starken Führungskräften umgeben war. Einige, die die Mitteilung eines Tadels erhielten, fragten sich in ihren Herzen oder offen: „Wer hat mit Schwester White geredet?“31
Es ist kaum zu glauben, dass ihr Enkel Arthur nicht wusste, wer mit Schwester White sprach. Als Hüter der Schlüssel zu den Tresoren musste er wissen, welche Beweise zur Verfügung standen, um eine Antwort zu geben. Aber er fuhr fort zu erklären, warum er sich nicht traute:
Wenn Mrs. Whites Botschaften ihren Ursprung in den Gedanken und Ansichten ihrer Umgebung hatten; wenn die Botschaften über Organisation sich auf Ideen von James White oder George I. Butler zurückführen ließen; wenn die Ratschläge über Gesundheit ihren Ursprung in den Gedanken von Dr. Trall oder Dr. Kellogg hatten; wenn die Instruktionen über Erziehung sich auf Ideen von G. H. Bell oder W. W. Prescott stützten; wenn der hohe Standard, der sich in Ellen G. Whites Artikeln und Büchern zeigt, von klugen Männern inspiriert wurde — dann können die Ratschläge des Geistes der Weissagung für uns nicht mehr bedeuten als einige sehr gute Ideen und hilfreiche Ratschläge!32
Wie wahr. Es ist interessant, darüber zu spekulieren, warum Arthur gerade diese Namen auswählte, da die adventistische Gerüchteküche für eine geraume Zeit Namen von Mitarbeitern an Ellens Schrifttum verbreitete, die die Namen einschloss, die er erwähnte. H. Camden Lacey schrieb:
Warum sprechen wir nicht mehr allgemeiner von Ihm [dem Heiligen Geist] in der Weise, wie es unsere autorisierte Übersetzung und wie es die Early Writings von Ellen White tun, bevor sie unter den Einfluss ihres Mannes und der anderen Pioniere kam?33
Wiederum muss daran erinnert werden, dass die Leiter in der Gemeinschaft wussten, dass Lacey interne Informationen über das Zustandekommen einiger Bücher hatte; und in einem seiner Briefe an Leroy E. Froom schrieb er 1945:
Aber er [W. W. Prescott] bestand auf seiner Auslegung, und Schwester Marian Davis fiel anscheinend darauf herein; und siehe da, als Das Leben Jesu veröffentlicht wurde, tauchte diese identische Lehre auf den Seiten 24 und 25 auf, die, wie ich denke, vergeblich in einem vor dieser Zeit veröffentlichten Werk von Schwester White gesucht werden kann.34
Es gibt einige, die die Genauigkeit von Laceys Gedächtnis in Frage stellen, aber am Ende muss sich seine Erinnerung gegen die Erinnerung ihres Enkels Arthur oder eines anderen Mitglieds des White Estate behaupten. Diese waren nicht anwesend, als diese Ereignisse stattfanden. Auch wenn Arthur kein Training in moderner Psychologie hatte und nicht als Theologe ausgebildet war, wusste er, dass ihm die Aufgabe übertragen worden war, die Konzessionen seiner Großmutter zu bewachen, und er hatte kein Verlangen, dieses himmlische Vorrecht für sich oder für die Gemeinschaft zu verlieren. Er war nicht allein bei der Beschützung dieses himmlischen Bildes. Im zweiten Teil seiner Artikel zitiert er seine Großmutter Ellen:
Ich hatte nicht die Gewohnheit, irgendwelche doktrinalen Artikel in den Zeitungen zu lesen, sodass mein Verstand nicht die Erkenntnis von Ideen und Ansichten anderer Menschen haben sollte, damit keinerlei menschliche Theorien anderer eine Verbindung zu dem haben könnten, was ich schreibe.35
Eine vernünftige Person mit durchschnittlicher Intelligenz und bescheidener Bildung kann sehen, dass irgendetwas preisgegeben werden muss. Ein unabhängiger Vergleich von Sketches from the Life of Paul mit den Autoren, die Ellen verwendete, gibt sogar den treuesten Anhängern genügend Beweise, um daraus folgern zu können, dass Dinge identisch sind, wenn sie sich völlig gleichen; das schließt auch die Theologie ein.36 Aber Arthur ist kein Mathematiker. So hatte er, ohne Beschränkungen durch diese Disziplin, geschrieben:
Diese Aussagen, die von Mrs. White selbst und von ihr Nahestehenden gemacht wurden, sind geradeheraus, positiv und eindeutig und sollten für alle Zeit jede Frage beseitigen, ob Ellen G. Whites Schrifttum durch ihre Sekretärinnen beeinflusst worden war. Mrs. White war weder durch die, die um sie herum waren, beeinflusst worden, noch wurde ihr Schrifttum gefälscht. Ihre Botschaften waren nicht auf den Ideen derer gegründet, die um sie herum waren, noch auf Informationen, die andere ihr gegeben haben könnten.37
Diese unglaublichen Aussagen sollten alle Fragen für alle Zeit beseitigt haben — aber sie taten es nicht. Mehr Fragen sollten auftauchen, und zwar in schnellerer Folge. Die Haltung der Adventgemeinde änderte sich in den 1970er Jahren. Um sich selbst vor den Wirkungen der sich mehrenden Beweise zu retten — dass Ellen White tatsächlich kopierte, dass andere sie beeinflussten und dass sie diesen Tatbestand tatsächlich verhüllte — sagte die Gemeinschaft nun in der Tat: Was soll’s? Abschreiben war nichts Neues. Gleich wie Ellen später kopierten die meisten Bibelschreiber von anderen und waren von anderen beeinflusst worden. Durch diese Richtung des Urteilens wird es verständlich, wie die Gemeinschaft und der Enkel Arthur ihre Denkrichtung gegründet hatten, dass Ellen vor langer Zeit die Erste unter Gleichen geworden war.
Der Leserkreis, den Arthur im Review ansprach, war ein gefangener Leserkreis. Sie waren sich nicht bewusst, als sie über das Buch Sketches from the Life of Paul lasen, dass Ellen schon vor Sketches freizügig von anderen Autoren in ihrer frühen Version über das Leben des Paulus (Bd. 3 von Spirit of Prophecy) übernommen hatte.38 Im Vorwort des Neudrucks von 1974 mag der behutsame Leser zufällig über eine kleine Kostbarkeit einer versteckten Aussage gestolpert sein, aber nicht allzu viele waren in den 1870er Jahren so aufmerksam, da dieses Eingeständnis 91 Jahre nach dieser Tatsache kommen sollte.
Es ist kein hoher wissenschaftlicher Schulabschluss notwendig, um Ellens Formel in der Benutzung anderer Autoren im Vorläufer von Sketches zu entdecken. Aber ein gewisses Wissen wird verlangt, um zu verstehen, wie sie — nach freundschaftlichem Plaudern mit Schriftstellern wie Conybeare und Howson, Farrar, March, Harris, McDuff und wer weiß mit wie vielen anderen — mit ehrlichem Gesicht daran festhalten konnte, dass sie von diesen nicht beeinflusst worden war, da doch deren Polsterung überall herausquoll. Ob sie nun beeinflusst wurde oder nicht, ist zweitrangig; die primäre Sache ist, dass die Gemeinschaft und alle ihre Glieder gewiss durch jene, von denen sie abschrieb, beeinflusst (und durch diese Tatsache irregeführt) wurden. Und die Gemeinschaft als Ganzes wird weiter auf diese Weise so beeinflusst, wie es durch die Ideen, Worte, Sätze, Absätze und sogar Seiten von Material eigentlich gar nicht dargestellt wird.
Sogar H. O. Olson, der die Aufgabe hatte, die Kritik abzulenken, die von denen kam, die wussten, wie Ellen von anderen für ihr Sketches zusammengetragen hatte, gibt zu:
Obwohl man beachtliche Parallelen in den beiden Büchern finden kann, ist offensichtlich, dass deren Zielsetzung nicht dieselbe ist.39
Wer sagt denn, dass ihre Zielsetzung dieselbe sein muss? Irgendwie haben die Haushälter des White Estate die Titelseite der Olson-Untersuchung (da sie einen Teil des Buches betraf) dem Zugriff entzogen. Und diese Seite tauchte in der Öffentlichkeit nicht auf, bis sich im Januar 1980 das Glendale-Komitee traf, um die Vergleiche mit den Quellen zu überprüfen. Der Olson einer anderen Generation informierte die Gruppe, dass sein Onkel derjenige war, der die frühere Studie darüber erstellt hatte. Welches Zukurzkommen diese Studie auch hatte — sie war die Arbeit, die Nichol für seine Verteidigung Ellens verwendete: ein Buch, das anfing, die Gemeinschaft auf den abwärts führenden Weg der Prozente zu leiten.
Auf dieser fehlenden Titelseite, von der wenige jemals gehört und noch weniger sie jemals gesehen hatten, sagte H. O. Olson:
Es ist kein sorgfältiges Lesen und Vergleichen von The Life and Works of Paul von Farrar und Sketches from the Life of Paul von Mrs. E. G. White erfolgt, wie im Fall des Letzteren und The Life and Epistles of the Apostle Paul von Conybeare und Howson; aber ein Tag wurde mit Anstrengung verwendet, um festzustellen, ob irgendein Teil von Mrs. Whites Buch auf Farrars Buch basiert.40
Wenn H. O. Olson nicht so frei und offen gewesen wäre, hätte dieses Dokument vielleicht eine noch weitere Verbreitung gehabt. Er gab die Beschränkung seiner Studie zu. Wie es viele von seiner Zeit bis zur Gegenwart tun würden, suchte auch er nach Worten und direkten Zitaten — nicht nach Umschreibungen oder der Übernahme von Gedanken. Dieses Dokument, das vielleicht an einem ruhigen Sonntagnachmittag als Spiel oder zur Unterhaltung entstanden sein mag, wurde als solide Verteidigung für das Gebäude der „white lie“ verwendet, die für weitere vierzig Jahre Herausforderungen abwehren sollte.
Die Fortsetzung dieser Geschichte jedoch ist bemerkenswerter als ihr Beginn. Mit dem vorübergehenden Ableben von Sketches und der Erweiterung von den The Spirit of Prophecy-Ausgaben zur umfassenderen „Entscheidungsserie“ war es notwendig, Paulus aus seinem Grab in Sketches wieder auferstehen zu lassen. Ellen selbst drückte diesen Wunsch 1903 so aus:
Ich denke, dass eine neue Ausgabe von Sketches from the Life of Paul veröffentlicht werden sollte. Ich werde jedoch einige Ergänzungen an diesem Buch vornehmen, bevor es wieder aufgelegt wird.42
Sie war jetzt über siebzig Jahre alt, und die Natur begann, ihr Lebensfeuer einzudämmen. In der Tat war sie ungefähr vierundachtzig Jahre alt, als Das Wirken der Apostel 1911 erschien.43
Es mag eine neue Ausgabe gewesen sein, die geboren wurde, aber die Auspolsterung war dieselbe. Zu dieser Zeit jedoch war Ellen schon zu einer Aufsichtskapazität befördert worden und war nur als Gottes Aufseher tätig. Das White Estate macht ein interessantes Zugeständnis in Life Sketches of Ellen G. White:
Gegen Ende des Jahres 1910 hatte Mrs. White alles in Betracht gezogen, was mit den Problemen der Neufassung der Ausgabe des „Großen Kampfs“ zusammenhing. Nachdem diese Arbeit vollendet war, fand sie Zeit, die Überarbeitung von Sketches from the Life of Paul zu beaufsichtigen und einige Kapitel über das Lebenswerk und die Briefe der Apostel, der frühen christlichen Gemeinde, hinzuzufügen. Dies alles wurde 1911 unter dem Titel Das Wirken der Apostel veröffentlicht. 44
Es war wirklich nicht viel zu beaufsichtigen. In einigen Fällen wurde das Originalmaterial neu geordnet, einige weitere Autoren hinzugefügt und sehr auffallend Kopiertes mit mehr Bibelstellen abgemildert.
Aber eine neue Dimension war hinzugekommen. Experten wurden hinzugezogen, um an den alten Formen eine Schönheitskur vorzunehmen. Auf diese Weise würde es nachher schwierig sein, Verbindungen von Das Wirken der Apostel mit seinem Vorläufer Sketches from the Life of Paul und dessen Vorfahren, nämlich The Spirit of Prophecy (Band 3), zu sehen. Sorgfältiges Studium und das Vergleichen dieser drei Bücher in der Reihenfolge ihrer Entstehung zeigt zum großen Teil Fantasie und schöpferische Entwicklung – alles wurde möglich gemacht durch Menschen, nicht durch Gott. Band 3 von The Spirit of Prophecy zeigt wenig eigene Theologie auf. Sketches from the Life of Paul fügte Material anderer Autoren hinzu, hatte aber keine eigene Originalität mehr – und keine Anerkennung für die zunehmende Abhängigkeit von anderen Schriftstellern.45
Die endgültige Ausgabe von Das Wirken der Apostel war eine Verflechtung von Material durch ein „Konsortium“ von Verschwörern. Bibeltexte wurden an einige Stellen von vorher abgeschriebenem Material gesetzt. Offensichtliche Details der freien Wiedergabe wurden abgeschwächt und begrenzt. Aber ein neuer Meister betrat die Arena der Inspiration. Zum Leben des Paulus kam das Leben des Petrus hinzu. Diese außerhalb der Familie von Conybeare und Howson, Farrar, March und McDuff hinzugefügten Kapitel zeigten deutlich die Hilfe von Harris, der 1836 eine Serie von fünf Abhandlungen in einem Buch mit dem Titel The Great Teacher veröffentlichte, das vielversprechende Aussichten hatte und gut verkauft wurde.46
The Great Teacher war anders als alles andere, was Ellen und ihre Gruppe vorher verwendet hatten. Die meisten der früheren Schriftsteller waren der Heiligen Schrift in erzählender Form gefolgt. Dies hatte dem White Estate in seiner Argumentation gegen eine Kritik an Ellens Kopieren geholfen. Sein Standpunkt war, dass, wenn auch einige Ähnlichkeiten von den verwendeten Autoren durchsickerten, diese Ähnlichkeiten nur ein Zufall waren, da ja das kopierte Material und die kopierende Person der Bibel in erzählender Form folgten und vielleicht denselben Randbemerkungen, demselben Bibelnachschlagewerk und vielleicht, vielleicht, vielleicht...47
Aber dieser Harris war kein Vielleicht! Ein Vergleich der Einleitung von The Great Teacher mit Testimonies for the Church (Bd. 6) zeigt dies:
| Ellen G. White | John Harris |
|---|---|
|
Sie müssen Christi Unterricht und den Charakter seiner Lehre studieren. Sie müssen ihre Freiheit von Formalismus und Überlieferung sehen und die Originalität, die Autorität, die Spiritualität, die Zärtlichkeit, die Wohltätigkeit und die Praktikabilität seiner Lehre schätzen.48 |
Das Buch enthält fünf Aufsätze von beträchtlichem Umfang über die folgenden wichtigen Themen: |
Harris und The Great Teacher waren in Ellens Arbeit schon früher erschienen, aber wie in anderen Fällen, ohne Quellenangabe oder Anerkennung. Material aus seinem Buch erwies sich als hilfreich bei der Neufassung von Das Leben Jesu (1898). Sehr oft hinterließen Harris und seine Aufsätze Spuren in Das Wirken der Apostel und Das Leben Jesu sowie bei Ellen und ihrer Glaubensgemeinschaft. Einige der liebenswerten Aussprüche, die die adventistische Glocke zum Läuten brachten, erklangen zuerst bei Harris und nicht bei Ellen. Ohne solche Aussagen von Harris wie:
Er bestimmte, dass die Gemeinde sein Eigentum sei; sie ist die einzige Festung, die er in einer gefallenen Welt hält; und er beabsichtigte deshalb, dass keine Autorität in ihr bekannt und keine Gesetze in ihr anerkannt werden sollten, außer seinen eigenen.50
aren die Einführungen zu Das Wirken der Apostel und Das Leben Jesu ebenso fehl gewesen, wie sie in ihren jeweiligen Vorgängern waren, wo solche Einführungen gänzlich fehlten, zeigt dies auch auf, was Gott mit ein wenig Hilfe erreichen konnte.
Aber die Verwendung von Harris und The Great Teacher fand ihr Ende nicht etwa in den Einführungen dieser zwei Bücher von Ellen. Später sollte sich Ellen durch Fundamentals of Christian Education, Counsels to Teachers und Education auszeichnen — und nur wenige Personen würden wissen, dass Harris in Wirklichkeit der Regisseur der Show war.51 Wenn die Aussagen von Harris aus einem der fünf Bücher herausgenommen und an eine andere Stelle eines anderen Buches platziert würden, wäre die Stetigkeit der Gedanken in keiner Weise unterbrochen worden. Die Aussagen haben keine Bedeutung oder Wert im Kontext oder ihrer Umrahmung, außer es wird ihnen vom Leser eine Art Wert gegeben. Da sie der Bibel nicht erzählend oder einer bestimmten Absicht folgen, können sie benutzt werden, wie sie so oft benutzt wurden: irgendwo, irgendwann, durch irgendjemanden, um irgendetwas zu sagen, um irgendeinen Punkt zu begründen.
Es ist vorgebracht worden, dass W. W. Prescott, das Erziehungsgenie des Adventismus,52 ein großes Interesse an Ellen und ihrem Schrifttum hatte. Harris hatte mehr seinen eigenen Stil des Lesens und Denkens als Ellen, da Harris ungleich anders war als irgendjemand in ihrer Liste.53 In späteren Jahren machte das White Estate ein interessantes Zugeständnis über Prescotts Engagement bei der Produktion von Das Leben Jesu. Ein freigegebenes Dokument von Robert Olson und spätere Artikel von Arthur White im Review sagen aus, dass Prescott etwas mit der „Korrektur“ der Grammatik von Das Leben Jesu zu tun hatte.54 Diese Zugeständnisse und der Brief von Lacey verbinden Harris und Prescott ziemlich gut mit der Kette der Ereignisse.
Ein weiterer Punkt von Interesse ist, dass, wenn man Professor Prescotts College-Lehrbuch The Doctrine of Christ mit Harris und seinem Material vergleicht (das aus den ersten Kapiteln von Das Leben Jesu kopiert ist), alle drei eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zeigen. Harris kommt dabei an die erste, Ellen an eine ausgeprägte zweite und Prescotts Lehrbuch an eine auslaufende dritte Stelle, aber alle sind noch im Rennen.55 Ein so enger Ausgang des Rennens mag erklären, warum der Professor so besorgt war, dass das Material von Harris gestohlen und in das „Gehege“ der Gemeinschaft eingebracht, sich später in Ellens Leihhaus wiederfand und als Gottes Handelsware verkauft wurde.56
Für den, der in gewisser Entfernung dazu steht, wird sichtbar, dass das „Ausleihen“ mit Spiegeln erfolgte — aber nicht, um Harris, March oder Conybeare und Howson ins Blickfeld zu rücken, oder gar Gott. Das fertige Werk wurde in die adventistische Ruhmeshalle gehängt, um Ellens Arbeit und Autorität widerzuspiegeln, wie sie der Gemeinschaft von ihren Leitern und Theologen gegeben wurde. Die endgültigen fünf Bücher der „Entscheidungsserie“ waren gedacht, als ein beständiger und autoritativer Beitrag Ellens (und somit auch Gottes) und des Adventismus zur Geologie, Theologie, Christologie und Eschatologie zu sein. Adventisten glauben und lehren, ob offiziell oder inoffiziell, dass Ellens „Inspiration“ (oder Genie) sowie die Fähigkeit, die Fakten der Geschichte wiederholt festzusetzen und die Geschehnisse der Zukunft vorauszusagen, von bedingungsloser Autorität sind. Die Generalkonferenz der Siebenten-Tags-Adventisten von 1980, die Absetzung von Dr. Ford in Colorado im späten Sommer 1980, die ständige Leugnung der Tatsachen der heutigen Forschung über Ellens lebenslanges Kopierprogramm, die Beharrlichkeit, zu behaupten, alle Fehler in ihrem Leben und ihrer Methode könne man mit den Erfahrungen der Bibelschreiber vergleichen, weist darauf hin, dass Ellen G. White der endgültige, unfehlbare Ausleger des gesamten adventistischen Glaubens und Lebens ist.
Es hat jedoch schon Sprünge im adventistischen Spiegel gegeben. Die strenge Haltung der adventistischen Administration hat nicht die ganze Welt eingefangen. Sie ist nicht einmal von der Gemeinschaft als Ganzes akzeptiert worden. Ellenologie ist ein amerikanisches Phänomen. Der größte Teil der Adventgläubigen wohnt außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika und hat ihr Schrifttum nicht in der Gesamtheit, macht sich nicht so viel daraus, es zu gebrauchen, oder interpretiert es zumindest etwas anders, als es die amerikanischen Anhänger tun. Treue Gläubige, die die Gestade Amerikas verlassen, neigen dazu, sich einem Nicht-Ellen-Einfluss in den Angelegenheiten der Gemeinde und in ihrem persönlichen Lebensstil anzupassen, um sich dann aber wieder umzustellen, wenn sie in das Land ihrer Ellen zurückkehren. Oftmals ist das Zeichen dieser Veränderung der Ehering, der durch Ellens Anweisung in den Staaten für beide Gruppen, für die Geistlichen und für die Glieder, verboten ist. Ellen hatte die Abwesenheit eines Ringes zum Merkmal der Adventisten in Amerika gemacht, als sie schrieb:
Einige haben eine Last in Bezug auf das Tragen eines Eheringes und meinen, dass die Ehefrauen unserer Prediger sich diesem Brauch anpassen sollten. All das ist nicht notwendig. Lasst die Frauen der Prediger das goldene Band tragen, das ihre Seele an Christus bindet: ein reiner und heiliger Charakter, die wahre Liebe, Demut und Frömmigkeit, die die hervorgebrachten Früchte auf dem Baum des Christen sind, und deren Einfluss wird überall sicher sein. Die Tatsache, dass eine Nichtbeachtung des Brauches gelegentlich Äußerungen darüber hervorruft, ist kein guter Grund, ihn zu übernehmen. Amerikaner können ihre Haltung mit der einfachen Aussage verständlich machen, dass dieser Brauch in unserem Lande nicht als Pflicht angesehen wird. Wir müssen kein Zeichen tragen, denn wir sind unserem Eheversprechen nicht untreu, und das Tragen eines Ringes wäre kein Beweis, dass wir treu sind. Ich sorge mich wegen dieses Gärungsprozesses, der sich unter uns vollzieht, durch die Anpassung an Brauch und Mode. Kein einziger Pfennig sollte für einen Goldreif ausgegeben werden, um zu bezeugen, dass wir verheiratet sind.57
Die Diskussion dieses Verbotes hat jahrzehntelang mehr Hitze als Licht unter den nachdenkenden Leuten der Gemeinschaft ausgelöst — mit Gott als Verlierer, wenn er der Autor wäre — denn die meisten Gemeinden haben den Bann gegen das Tragen des Ringes fallen gelassen. Es ist immer noch schwierig für einen Prediger oder Evangelisten der Gemeinschaft, ein Mitglied mit Ehering zu taufen, und oft wird ein Stück Klebeband benutzt, um diese Tatsache zu verbergen. Es sieht so aus, dass Wege möglich sind, Ellen und ihren Gott zu überlisten.
Die Beichte, der Anfang aller Anfänge, ist eine unnatürliche Handlung — ein Zugeständnis von Schuld, Unrecht und menschlicher Disharmonie mit menschlicher Ethik oder mit Gottes moralischem Gesetz. Wenn die Beichte vom Verstand kommt, ist sie hilfreich für äußere Zwecke. Kommt sie aus dem Herzen oder der Seele, ist sie hilfreich für innere Zwecke. Wie auch immer der Fall liegt, sie kann einen kurzfristigen oder länger anhaltenden Effekt haben; dies ist abhängig von den Umständen. Es ist jedoch immer nutzlos, wenn sie zu spät erfolgt, wenn sie erzwungen wird, oder wenn lange Zeit nach einer weitverbreiteten Erkenntnis die Tatsachen herausgelockt werden, die die Notwendigkeit einer Beichte verursachen. Das scheint der Fall zu sein in der Angelegenheit von Arthur White und seinem Dokument vom 18. Januar 1981: „Der Prescott-Brief an W. C. White.“
Getreu den Methoden der Beamten des White Estate sucht Arthur mit seinem Dokument, Prescott herabzusetzen oder scharfsinnig zu verleumden, hauptsächlich wegen Prescotts Brief an W. C. White, seiner Verbindung mit Großmutter Ellen und der anerkannten Hilfe, die er ihrem Schrifttum gab. Die Anklage von pantheistischen Anlehnungen ist gegen Prescott in der gleichen Art unternommen worden wie gegen Waggoner und Kellogg. Vielleicht wegen des Fehlens irgendwelcher Beweise gibt Arthur keine Details an, beschränkt sich aber auf Formulierungen wie „ein Hinweis in dieser Sache“, „spätere Aussagen scheinen dies zu unterstellen“, „scheint verwirrt zu sein“, „nur mit halbherziger Hingabe“ und „die Resultate waren nur mäßig erfolgreich“.58
In seiner Entschuldigung für das, was das White Estate – mit ihm als ihrem Vorstand – nicht tat, um Missverständnisse über das Schrifttum Ellens zu korrigieren, liegt die Ursache, dass Arthur White seine Wachsamkeit verliert und die Tür ein wenig öffnet, um etwas Licht hereinzulassen. Aus Besorgnis, dass jene, die etwas wissen oder etwas darüber hören, wahren Einblick bekommen, sagt er:
Diese Tatsachen sind von der Art, dass ein voreingenommener Geist oder gewissenloser, extrem kritischer Forscher sie in gefährlicher Weise missdeuten und missbrauchen kann. Was folgt, ist mit Hoffnung und mit Gebet geschrieben und mit dem ernstlichen Ersuchen, dass die Information fair und verständig angewendet werde. Und warum wurde sie widerwillig dargestellt? Weil gute Menschen mit unbestrittener Aufrichtigkeit darin verwickelt waren; vertrauenswürdige, hingebende Männer in hohen Stellungen der Gemeinschaftsleitung, Männer, die es verdienen, dass man sich an sie mit Ehre und Bewunderung erinnert, und vor allem, weil alles, was getan wurde, versehentlich und unbeabsichtigt erfolgte. Wir diskutieren hier nicht über einen Deckmantel, sondern vielmehr über einen Unfall, in dem einige schwer verletzt wurden.59
Dann kommt das Bekenntnis:
Bis zum Zeitpunkt vor drei oder vier Jahren, als die Protokolle über die Versammlung der Bibel- und Geschichtslehrer von 1919 entdeckt und publik gemacht wurden, war ich mir über dieses Treffen von 1919 nicht bewusst.60
Und wieder, etwas weiter im Text:
Nun ist bekannt, dass die intensive Arbeit in einer Studie über die Beziehung von Teilen bestimmter Bücher von E. G. White und dem Schrifttum der Kommentatoren und Historiker eine ausgedehntere Verwendung anderen Schrifttums durch Ellen White ans Licht gebracht hat, als das White Estate und die gegenwärtigen Gemeinschaftsleiter sich jemals bewusst waren. Der Personalstab war die ganzen Jahre hindurch viel zu klein und zu beschäftigt gewesen, um den an sie gestellten Anforderungen nachzukommen, um sich noch Zeit für die Suche nach Fragen zu nehmen, die jetzt gestellt werden.61
Wo war dieser arme Arthur all diese Jahre gewesen, als diese zu untersuchenden Fragen immer und immer wieder gestellt wurden?
Sein Dokument könnte vermuten lassen, dass, wenn er tatsächlich keine Kenntnis von der Untersuchung der Bibelkonferenz 1919 hatte (die als eine der wichtigsten und aufschlussreichsten Zusammenkünfte des Adventismus bezeichnet werden kann) und von Ellens ausgedehnter Kopierarbeit bei der Zusammenstellung ihrer Bücher nichts wusste, er vielleicht eine Menge weiterer Tatsachen ignorierte, die seine Großmutter Ellen betreffen.
Trotz dieser Widersprüche und ethischen Probleme kann nicht geleugnet werden, dass Ellen an die Spitze gelangt war und groß war mit ihrem Schrifttum. Im adventistischen System hatte sie die Vergangenheit rekonstruiert, die Gegenwart beschönigt und der Zukunft exotische Farbe zugefügt. Diese Zukunft, wie sie in der adventistischen Eschatologie detailliert wird, findet man in Ellens Buch Der große Kampf, das selbst einen der größten Kämpfe ihres Schrifttums darstellt.